Die Seidenbaronin (German Edition)
Sie sich für die Herren verwenden. Sie müssten doch höchst verärgert darüber sein, dass sie Ihr Schloss zum Ort ihrer konspirativen Zusammenkünfte missbraucht haben.»
«Das bin ich allerdings», sagte Paulina im Brustton der Überzeugung. «Mein Interesse gilt auch nur einem der Herren – dem Grafen Bahro. Er ist der Vetter meiner Mutter, und deshalb wüsste ich gerne, was ihm zur Last gelegt wird.»
«Sie sollten nicht zu viel fragen, denn sonst könnte man auf die Idee kommen, genauer nachzuhaken, warum Sie nach fünfzehnjähriger Abwesenheit ausgerechnet an dem Abend in Ihrem Schloss auftauchen, an dem dort die letzten Vorbereitungen für einen bewaffneten Aufstand gegen den König getroffen werden.»
Paulina schluckte. «Ich kam aus Paris, Monsieur, und Ihr Geheimdienst wird sicher mühelos feststellen, dass ich seit langem keine Verbindung mit Blommersforst hatte. Sämtliche Korrespondenz mit dem Gut lief über meinen Teilhaber in Crefeld.»
Der General lächelte. «Wir wissen das, Madame. Deshalb haben wir die Verhaftungen auch nicht gleich gestern Abend im Haus Ihres Verwalters vorgenommen. Wir wollten Sie und Ihren Namen nicht kompromittieren. Als Gegenleistung möchten wir Sie jedoch bitten, von weiteren Nachforschungen abzusehen.»
«Aber – was soll ich meinen Verwandten sagen? Hauptmann von Bahro, der Sohn des Grafen, ist, wie Sie sicher wissen, ein wichtiger Berater des preußischen Königs.»
«Umso schlimmer!» Der Gouverneur beugte sich mit ernstem Gesicht vor. «Hören Sie, Frau Gräfin, ich dürfte Ihnen das eigentlich nicht sagen, aber ich fürchte, dass Sie mich nicht eher in Ruhe lassen. Der Graf Bahro plante, sich gegen König Jérôme aufzulehnen. Die mit ihm verhafteten Offiziere wollten gestern mit einer Freischar und einigen hundert bewaffneten Bauern nach Cassel ziehen, die Stadt einnehmen und den König stürzen. Der Graf Bahro als ehemaliger Minister von Hannover hätte die Regierungsgeschäfte übernommen. Glücklicherweise wurden wir rechtzeitig gewarnt.»
Paulina hatte ihm atemlos zugehört. «Das ist ja unglaublich! Ich kann mir ehrlich gestanden gar nicht vorstellen, dass der Graf Bahro sich für eine solch wahnwitzige Unternehmung einspannen lässt.»
Der Gouverneur stieß ein dumpfes Lachen aus. «Graf Bahro war der Kopf der Revolte!»
Paulina begann zu begreifen, in was für ein Dilemma sie da hineingeraten war. Sie, die in geheimer Mission nach Berlin unterwegs war, fand sich in einen Aufstand gegen den Bruder des Mannes verwickelt, den sie selbst bekämpfte. Etwas Schlimmeres hätte ihr wahrhaftig nicht passieren können.
«Was haben Sie übrigens, nach fünfzehn Jahren, am Vorabend dieser glücklicherweise vereitelten Revolte, in Blommersforst gemacht?», fragte der Gouverneur und musterte Paulina eingehend.
Sie hielt seinem prüfenden Blick stand. «Ich bin auf der Durchreise nach Berlin. Wie Sie vielleicht wissen, führe ich eine Seidenmanufaktur. Nachdem das preußische Königspaar und der Hof nach Berlin zurückgekehrt sind, habe ich vor, dort neue Absatzmöglichkeiten zu erschließen.»
General Rohan stand auf. «Nun, Madame, ich bin um Ihrer Stellung wegen gewillt, dieses erstaunliche Zusammentreffen von Ereignissen tatsächlich als Zufall zu betrachten. Soviel ich weiß, stehen Ihr Gatte und Sie beim Kaiser in hoher Gunst. Wenn Sie möchten, dass dies so bleibt, rate ich Ihnen, sich in der Sache des Grafen Bahro möglichst still zu verhalten. Des Weiteren empfehle ich Ihnen, nach Abschluss der Angelegenheit schnellstmöglich beim Kaiser vorzusprechen, damit keinerlei Zweifel an Ihrer Loyalität entstehen.»
«Was heißt das – nach Abschluss der Angelegenheit?»
«Der Fall wird bald schon vor einem Militärgericht verhandelt werden.» Der Gouverneur kam hinter seinem Schreibtisch hervor und machte eine unmissverständliche Geste zum Ausgang. «Leider ist meine Zeit begrenzt, Madame. Wenn ich Sie nun bitten dürfte zu gehen …»
Paulina suchte seinen Blick. «Welche Strafe droht dem Grafen Bahro und seinen Männern?», fragte sie leise.
«Die Strafe wird angemessen sein, Madame», sagte der General, ohne sie dabei anzusehen. «Schließlich handelt es sich nicht um ein Kavaliersdelikt.»
Kapitel 54
Cassel, Februar 1810
Der Offizier führte Paulina durch ein steinernes Gewölbe. Es war kalt und feucht, die Lampen an den Wänden warfen unheimliche Schatten. Donnernd hallten die Stiefel des Mannes auf dem blanken Pflaster wider.
Als im
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