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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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Marie vom Hühnermarkt, um die liebe alte Seidspinnerin einmal mehr um Hilfe zu bitten. Auf dem Weg in den Annenkonvent war ihr nämlich ein Einfall gekommen, wie sie den Beginen weiterhin Arbeit zukommen lassen konnte, ohne dass etwas davon bekannt werden würde. Und nicht viel später an diesem Abend hatte sie an das kleine, windschiefe Haus am Hühnermarkt geklopft.
    »Herein!«, rief Marie mit einer Stimme, die immer noch Kraft und Energie hatte. Ihre Vogelaugen funkelten voller Freude, Fygen zu sehen, doch erheben mochte Marie sich nicht, um Fygen zu begrüßen, denn ihre Beine verursachten ihr argen Verdruss. Mit wenigen Schritten durchmaß Fygen den Raum, beugte sich zu Marie hinab, die es sich in einem gepolsterten Stuhl bequem gemacht hatte, und schloss die kleine, zerbrechliche Frau liebevoll in die Arme.
    Fygen hatte gedacht, das Alter könnte Marie nichts mehr anhaben. Wie eh und je lag eine Spindel in ihrem Schoß, doch seit ihrem letzten Besuch schien die alte Frau noch ein wenig zerbrechlicher geworden zu sein. Mit ihrer klauenartig verkrümmten Rechten griff sie nach einem Krug, um Fygen und sich einen Becher Wein einzuschenken. Und zum ersten Mal entdeckte Fygen, dass Maries Hand zitterte. Es bereitete ihr sichtlich Mühe, den Krug mit einer Hand zu halten.
    »Was hast du auf dem Herzen?«, wollte Marie wissen. Immer noch sah sie es Fygen sofort an, wenn diese etwas bedrückte.
    Fygen hielt sich nicht mit Vorreden auf, dazu kannten sie einander viel zu lange, sondern erzählte ihr von den Sorgen der Beginen, den neuerlichen Repressalien, denen die frommen Frauen ausgesetzt waren, und was sie sich hatte einfallen lassen, um ihnen trotzdem zu Arbeit zu verhelfen. Der Plan war recht einfach. Fygen würde regelmäßig die Rohseide zu Marie bringen, die offiziell als Seidspinnerin zugelassen war. Nach Einbruch der Dunkelheit würden die Schwestern sie dann, gut verborgen unter ihren weiten Umhängen, in den Konvent tragen. Die gesponnene Seide sollte auf dem gleichen Weg zu Marie zurückgebracht werden, von wo Fygen sie, ohne Argwohn zu erregen, abholen lassen konnte. Zudem wohnte ja Barbara Loubach, die mit ihren Mädchen große Mengen Seide für Fygens Betrieb verspann, gleich nebenan, so dass ein Wagen von Fygen, der auf dem Hühnermarkt vorfuhr, unverdächtig erscheinen musste.
    Konzentriert hörte Marie ihr zu, ohne sie zu unterbrechen. Doch anders als sonst lagen ihre Hände untätig auf ihrer Schürze. Zwar griffen ihre knotigen Finger immer wieder unruhig nach der Spindel, ließen diese jedoch unverrichteter Dinge in den Schoß fallen.
    »Von mir aus gerne, mein Kind«, sagte Marie schlicht, als Fygen geendet hatte. »Aber weißt du, was für ein Risiko du eingehst?«

6. Kapitel
    A lso, Sophie, wenn die Marktfrau dir acht Eier gibt und für jedes Ei drei Pfennige verlangt, wie viel bist du ihr dann schuldig?« Aufmunternd blickte der junge Geistliche dem ältesten der drei Lützenkirchenschen Mädchen in das pausbäckige Gesicht.
    Unentschlossen kaute Sophie am Ende ihres beinernen Griffels und kratzte unsicher mit dem Fingernagel auf ihrem Wachstäfelchen herum. Die Neunjährige fand das Rechnen äußerst anstrengend. Viel lieber war es ihr, wenn sie gemeinsam Lieder sangen. Doch bevor sie sich zu einer Antwort durchringen konnte, warf ihre Schwester Agnes entrüstet ein: »Ein Ei kostet niemals drei Pfennige. Eine Hausfrau wäre schön dumm, wenn sie so viel zahlen würde.«
    »Ich würde gleich ein Dutzend nehmen, das ist immer billiger,« versicherte auch Lisbeth.
    Der junge Mann seufzte. Ihm war es schleierhaft, wieso er die Mädchen im Rechnen unterrichten sollte. Wozu sollte das gut sein? Reichte es nicht, wenn sie singen und gottgefällige Gebete lernten? Lesen und schreiben mochten ja vielleicht noch angehen, aber rechnen? Doch die Herrin des Hauses hatte es so angeordnet. In einem wohlhabenden Handwerkerhaushalt waren manche Dinge offensichtlich ein wenig anders. Der Geistliche seufzte und wiederholte mit Nachdruck: »Also, nur einmal angenommen, ein Ei würde drei Pfennige kosten, wie viel müsstest du dann zahlen?«
    Von Sophie kam keine Antwort. Immer noch starrte das Mädchen verlegen auf sein Wachstäfelchen, als erhoffte es sich, dort die Antwort zu finden.
    Endlich wurde Lisbeth es leid. »Vierundzwanzig Pfennige«, antwortete die Siebenjährige anstelle der älteren Schwester. Ihre dunkelbraunen Zöpfe hüpften fröhlich um ihren Kopf herum, und sie schaute den Geistlichen mit

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