Die Seidenweberin: Roman (German Edition)
schließlich einigen, und als Mettel wieder in Fygens Kontor geführt wurde und diese ihrer ehemaligen Lehrherrin das Strafmaß verkündete, musste auch Trude ihren Irrtum einsehen. Mettels blasse, hängende Wangen verloren mit einem Mal alle Farbe. Den Kopf drohend vorgereckt, machte sie einen Schritt auf Fygen zu, so dass Mertyn sich halb aus seinem Sessel erhob, bereit einzugreifen, falls Mettel sich auf ihr einstiges Lehrmädchen stürzen würde. Zornbebend spuckte sie vor Fygen auf den Boden des Kontors, dass einige Tröpfchen den Saum von Fygens Kleid beschmutzten, und zischte sie voller Wut an: »Na warte, du Kröte! Das wird dir noch leidtun.«
Doch leid taten Fygen lediglich ihre eigenen Mädchen, denn die würden künftig ohne den erfreulichen Anblick des Rödergehilfen Bernhard auskommen müssen.
5. Kapitel
F ygen, du musst endlich damit aufhören!« Es war später Nachmittag, als Peter Fygens Kontor betrat. Seit Anfang des Jahres war ihm die Ehre zuteilgeworden, die Bürgerschaft im Rat der Stadt zu vertreten, und eben war er aus einer Sitzung des Rates gekommen und geradewegs in das Kontor seiner Frau geeilt. Mit ernster Miene ließ er sich in den Sessel gegenüber ihres Pultes sinken.
»Womit aufhören?«, fragte Fygen unkonzentriert. Sie war gerade darin vertieft, die Ausgaben für Rohseide der letzten vier Wochen zusammenzustellen.
»Die Beginen für dich arbeiten zu lassen.«
Etwas an seinem Tonfall ließ Fygen aufhorchen. Sie legte die Feder beiseite und verschränkte die Hände. »Du weißt doch, dass sie das Geld brauchen«, entgegnete Fygen ruhig, doch innerlich seufzend, denn darüber hatten sie bereits mehr als einmal gesprochen. Sie wusste, Peter hielt es für unverantwortlich, was Fygen für die frommen Frauen riskierte. Doch wieso kam er gerade jetzt darauf zu sprechen? Und das mit einer solchen Dringlichkeit? »Was ist geschehen?«, fragte sie vorsichtig.
»Nun, wir hatten heute eine Abordnung der Seidspinnerzunft da. Sie haben sich an den Rat gewandt, mit der dringlichen Bitte, wir mögen doch dafür sorgen, dass die Mitglieder der Seidmacherzunft künftig ihr Versprechen einhalten, keine Seide zum Verspinnen an die Beginen zu geben. Am liebsten hätten sie verlangt, dass wir den Beginen das Seidenspinnen vollständig verbieten. Doch das haben sie sich wohl nicht getraut. Vielleicht, weil der ein oder andere Ratsherr eine Schwester oder Tante in einem der Konvente haben könnte.« Peter musste ein wenig schmunzeln, wenn er daran dachte, mit welch sonderbarer Mischung aus Vorsicht und Forschheit die Seidspinnerinnen ihre Bitte vorgetragen hatten.
»Und was werdet ihr jetzt tun?«, fragte Fygen ein wenig besorgt.
»In den nächsten Tagen werden einige der Konvente durchsucht.«
Fygen warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. »Wie kannst du das zulassen?«
»Schau mich nicht so an, ich kann nichts dafür. Im Gegenteil, ich habe versucht, das abzuwenden und es bei einer Ermahnung an die Seidmacher zu belassen. Aber ich bin von den anderen Ratsherren überstimmt worden. Wie du weißt, zahlen die Beginen keine Abgaben an die Stadt, das mag vielleicht auch für manch einen von Bedeutung gewesen sein. Auf jeden Fall solltest du die Frauen im Annenkonvent warnen und dafür sorgen, dass nicht ein einziges Fädchen Seide dort zu finden ist, sonst geratet ihr alle in größte Schwierigkeiten.« Und ich mit euch, fügte er in Gedanken hinzu. Laut sagte er: »Von mir aus gib ihnen Geld, wenn du ihnen helfen willst. Unterstütze sie, soviel du willst, aber höre auf mit dem …«
»Aber das verletzt doch ihre Ehre«, unterbrach Fygen ihn. »Sie können und wollen sich selbst ernähren. Darauf sind sie stolz, und sie arbeiten gut.«
Allmählich verlor Peter die Geduld. »Und wegen der Ehre von ein paar Betschwestern stellst du deinen ganzen Betrieb aufs Spiel, ja?«, gab er zurück. »Ich will, dass du damit aufhört. Und zwar sofort. Hast du mich verstanden?«
Fygen hatte ihn verstanden. Höchstpersönlich eilte sie in den Konvent zur heiligen Anna, um die Frauen zu warnen. Und in ein paar Wochen, wenn sich die Angelegenheit ein wenig beruhigt hätte, würde man weitersehen. Man würde künftig noch ein wenig vorsichtiger vorgehen müssen als bisher.
Für Peter waren die Ärgernisse des Tages damit noch nicht zu Ende. Als er sein eigenes Kontor betrat, um an diesem Tag wenigstens noch etwas Nützliches zu tun, fand er dort seinen Sohn Herman vor. Das konnte eigentlich nichts Gutes
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