Die Seidenweberin: Roman (German Edition)
Ihr ungestempelte Seide habt färben lassen, um die Steuer zu hinterziehen«, antwortete Johann Byrken ruhig.
»Was für ein Unsinn!«, gab Mettel zurück.
»Und was ist das hier?«, fragte Byrken, immer noch um Ruhe bemüht, und deutete auf die burgunderfarbenen Beweise, welche die Wachleute auf Fygens Tisch abgelegt hatten.
»Das muss ein Missverständnis sein«, murrte die alte Frau. »Ich kann mir nicht erklären, wie diese Seide ungestempelt zum Färben gelangt ist.«
»Wenn es sich um ein Missverständnis handelte, hätten sich die fraglichen Seidenballen ganz einfach zwischen den anderen Ballen auf dem Regal der Werkstatt gefunden«, widersprach Mertyn. »So aber müssen wir zweifelsohne davon ausgehen, dass sie absichtlich versteckt worden sind.«
Mettel schüttelte den Kopf. »Ich habe sie sicher nicht dort hinaufgetragen!«
Sie schien in der Tat ein wenig erstaunt ob der Anschuldigungen, stellte Fygen fest und war beinahe gewillt, ihr die Arglosigkeit zu glauben. Konnte es sein, dass Mettel tatsächlich nichts von der ungestempelten Seide gewusst hatte?
»Wenn Ihr die Seide nicht in der Dachkammer versteckt habt, wer dann?«, fragte Trude von Arnold spitz.
»Irgendwer, der uns eins auswischen will! Was wissen denn wir?«, regte Mettel sich auf.
Fygen merkte sofort, dass Mettel unbewusst vom ich zum wir gewechselt war. Sie bezog nun ganz selbstverständlich ihre durchtriebene Tochter in ihre Aussage mit ein. War es möglich, dass vielleicht Grete ihre Mutter hintergangen haben könnte? Trotzdem hielt Mettel wie eh und je schützend ihre Hand über Grete.
Wie auch immer, Fygen würde das nicht aufklären. Das war eine Sache zwischen Mutter und Tochter, die sie nichts anging. Sollten sie es untereinander regeln.
Nachdem also Mettel keine stichhaltigen Argumente zu ihrer Verteidigung hatte anführen können, wurde die Widerstrebende hinausgeführt, und man beratschlagte das weitere Vorgehen.
»Sie hat aus purer Gewinnsucht gehandelt. Wir sollten sie deshalb genau da bestrafen, wo es ihr wehtut«, sagte Johann Byrken ohne Mitleid.
»An ihrem Geldsäckel«, vollendete Trude von Arnold seinen Satz mit nicht zu überhörender Häme. »Lasst sie ein Viertel dessen an Strafe zahlen, was die Seide wert ist, die sie im Jahr verkauft«, schlug sie vor.
Das war eine gesalzene Strafe, fand Fygen, doch sie wusste, dass nur hohe Strafen dazu angetan waren, die Missetäter künftig von ihren Untaten abzuhalten. Ein wenig zögerlich nickte sie ihre Zustimmung, wie auch Mertyn und Byrken.
»Dann werden wir den Fall wohl gleich dem Rat melden«, sagte Mertyn, bereit aufzustehen. Für ihn war die Sache erledigt. Er mochte Mettel nicht, denn er hatte nicht vergessen, dass sie es gewesen war, die seine Frau einst an deren Vater verraten hatte. Zudem hatte er keine Lust, sich länger als nötig mit dem Fall zu beschäftigen.
»Ich weiß nicht, ob wir das tun sollten«, sagte Fygen, die bisher kein Wort in der Angelegenheit geäußert hatte, mit klarer Stimme.
Drei erstaunt wirkende Gesichter wandten sich ihr zu.
»Ein Drittel des Strafgeldes erhält ohnehin die Mittwochsrentenkammer«, fuhr sie fort. »Der Stadt ist somit sicher kein Schaden entstanden.«
Ein weiteres Drittel würde in die Zunftkasse fließen und das dritte Drittel an denjenigen gehen, der das Vergehen aufgedeckt hatte, in diesem Fall an Fygen, was ihr gar nicht behagte, doch so stand es in den Statuten der Zunft.
»Wieso sollen wir sie nicht dem Rat melden?«, ereiferte sich Trude von Arnold. »Du willst sie nur schützen, weil du bei ihr in die Lehre gegangen bist. So ist das!«
Mertyn entfuhr ob dieser groben Fehleinschätzung Trudes unwillkürlich ein lautes Schnauben, und auch Byrken konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen.
»Ganz einfach«, erklärte Fygen Trude geduldig, ohne auf ihren unsachlichen Angriff einzugehen. »Weil es den Ruf der Zunft schädigt. Es ist besser, wenn wir diese Dinge innerhalb der Zunft regeln.« Das war ein durchaus überzeugendes Argument.
»Und den Meister Bachem lassen wir ungeschoren davonkommen?«, hakte Trude nach.
»Ihm wird man so leicht nichts nachweisen können. Es sei denn, man ließe seinen Gehilfen Bernhard vorladen. Aber ich denke, damit dass er seine größte Auftraggeberin verliert, ist er sicherlich genug gestraft. Er wird sich in nächster Zeit darum bemühen müssen, neue Kunden zu gewinnen, da bleibt ihm wenig Zeit für weiteren Unfug.«
Auf dieses Urteil konnte man sich
Weitere Kostenlose Bücher