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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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gleich würde es wehtun.
    »Ich gehe fort«, sagte Herman.

4. Kapitel
    U nd was machen wir nun?«, fragte Fygen ihren Mann, weniger ratsuchend denn unternehmungslustig.
    »Einkaufen gehen?«, antwortete Peter verschmitzt grinsend mit einer Gegenfrage, und er meinte damit nicht den Einkauf von Rohseide. Er wusste, dass er seiner Frau keine größere Freude bereiten konnte. Die Geschäfte waren gut gelaufen in diesem Herbst. Ausnehmend gut sogar.
    Wie jedes Jahr war er, diesmal von Fygen begleitet, mit Seidenstoffen in den unterschiedlichsten Farben und Webarten aus Fygens Herstellung zur Messe nach Frankfurt gezogen, die acht Tage nach Egidi, zu Beginn des Septembers, ihren Anfang nahm.
    Doch nie zuvor war es geschehen, dass er bereits nach wenigen Tagen seine gesamten Vorräte veräußert hatte, ja, darüber hinaus noch Bestellungen und Aufträge zu notieren hatte, die er in den folgenden Wochen und Monaten zu erfüllen hätte. Dabei hatte er in diesem Jahr einen weitaus umfangreicheren Vorrat an Stoffen mitgebracht als in den Jahren davor. Sicher mochte es zu einem Teil daran gelegen haben, dass das Wetter ihnen einige sonnige, doch nicht zu heiße Spätsommertage beschert hatte, doch den weitaus größeren Anteil an den guten Umsätzen hatte sicher König Maximilian, der, höchsteigen, die Frankfurter Messe mit seinem Besuch geehrt hatte. Er selbst war zwar bei seinen Ausgaben nicht so freizügig gewesen, galt seine Finanzknappheit ja bereits als legendär, doch in seinem Gefolge befand sich stets ein Heer von Adligen und Günstlingen, denen glücklicherweise die Gulden, Heller oder Kreuzer nicht zu tief in den Taschen saßen, als dass sie diese nicht gegen die erlesensten Dinge, die es im Reich zu kaufen gab, einzutauschen bereit waren. Und so hatten gerade die Römerhallen, in denen die Stände untergebracht waren, die Preziosen wie Juwelen, Goldstickereien, wertvolle Brokate und kostbare Seidenstoffe anboten, regen Zulauf gefunden, so dass Peter, aber auch seine kölnischen Kollegen Byrken, van der Sar, Vurberg und Liblar, die ebenfalls jedes Jahr ihre Stände in den Römerhallen belegten, sich über hervorragende Geschäfte freuen konnten. Zeitweise hatten sich Peter und Fygen an ihrem Stand nahezu überschlagen müssen, um all ihren Kunden gerecht zu werden. Doch nun war auch der letzte Ballen verkauft, und sie konnten sich wahrhaftig einen Bummel über die Messe erlauben.
    Der Römerberg, zentraler Platz zwischen dem Römer, wie das Haus des Rates der Stadt Frankfurt genannt wurde, und dem Dom St. Bartholomäus mit seinem markanten Westturm, war übersät von Ständen und Buden. Ja, die Hütten, Tische und Verschläge der Kaufleute wucherten bereits in die Gassen und Straßen hinein, breiteten sich beinahe über die ganze Stadt hin aus. Zwischen all diesen Ständen herrschte ein Gedränge und Geschiebe, dass einem Angst werden konnte. Fygen hatte sich bei Peter untergehakt, und gemächlich schlenderten sie an den Ständen vorbei und betrachteten die Waren, die ihnen feilgeboten wurden: Lübecker Heringe, Pelze aus dem Baltikum, orientalische Gewürze, Spitzen aus Flandern, Glasvasen aus Venedig, Tiroler Rosenkränze, Juwelen, Pferde, Bauholz, Wein, Wolle. Fygen fiel beim besten Willen nichts ein, was es hier nicht zu erstehen gab.
    Eine wunderbar warme Septembersonne schien auf das Getümmel, und Fygen genoss es, sich an Peter gedrängt durch die Menge treiben zu lassen. In der Neuen Krame wurden Haushaltwaren angeboten: Geschirr, Gläser und allerlei nützliche Gebrauchsgegenstände. Fygen ließ sich hinreißen, fein punzierte Zinnbecher zu erstehen, die aus einer Augsburger Manufaktur stammten. Peter wies den Händler, einen recht bärbeißigen Oberdeutschen, an, die Becher gut verpackt und verschnürt in das Steinerne Haus bringen zu lassen, die Herberge, in der sich die kölnischen Kaufleute zu Messezeiten stets einzumieten pflegten.
    Sie passierten das Leinwandhaus, in dem alle anderen Tuche, flandrisches Leinen, englische Wolle und bergeweise Barchent gehandelt wurden, und gelangten in die Buchgasse, in der sich ein Gewölbe mit Büchern an das nächste reihte. Hier füllte der einzigartige, ein wenig staubige Duft nach frischer Druckfarbe und Papier die Luft. Am Rossmarkt, wo neben Pferden auch Kühe in ihren Einfriedungen standen und auf neue Besitzer warteten, entdeckten sie Tim Ime Hofes dunklen Schopf in der Menge. Gerne schloss sich der Junge ihnen an. Mit seinen nunmehr zwanzig Jahren hatte er

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