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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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zeigte eine Spur von Ärger. Es wäre freundlich, wenn diese Göre ihn einfach aussprechen lassen würde. Er zwang sich zur Ruhe. »Das Geld bekommt das Seidamt. Und ich leihe es dir …«
    »Ich sagte doch, ich will Euer Geld nicht annehmen.«
    »Himmel, jetzt halt einfach mal den Mund, bis ich fertig bin«, schimpfte er und packte sie bei den Armen. »Ich habe nicht gesagt, dass ich dir das Geld schenken will. Du sollst es abarbeiten. Du wirst für mich weben, und zwar sonntags, an deinem freien Tag. So lange, bis du es mir zurückgezahlt hast. So!« Er atmete heftig durch die Nase aus und gab ihre Arme frei. »Jetzt darfst du reden, soviel du willst.«
    Fygen sagte gar nichts. Sie war beschämt. Sie hatte ihm bitter Unrecht getan.

Teil II
    1474 – 1475
    1. Kapitel
    F ygen ließ die Hacke sinken und wischte sich den Schweiß aus dem geröteten Gesicht. Ihre erdverschmierte Hand hinterließ klebrig braune Streifen auf der Stirn. Doch Katryn, die neben ihr arbeitete, sah nicht besser aus, genauso wenig wie die anderen Frauen, die mit ihnen vor der Stadtmauer Büsche und Sträucher abhackten. Um sich besser bewegen zu können, hatten sie ihre Röcke hochgebunden und die Hauben zum Schutz gegen die Sonne tief in die Gesichter gezogen. In den ersten Tagen hatte Fygen es genossen, draußen an der frischen Luft zu arbeiten statt in der stickigen heißen Werkstatt. Die schwere Arbeit hatte ihre Muskeln gestärkt und die Sonne ihrer Haut einen bronzenen Farbton verliehen. Doch mittlerweile hatte sich auch ihr, wie allen anderen Bürgern der Stadt, die Angst tief in den Magen gefressen.
    Schweigend arbeiteten die Frauen verbissen vor sich hin. Es galt, das Gelände vor den Mauern einzuebnen. Häuser, Höfe, ja sogar die Kirche von Sülz und Höfe von St. Pantaleon wurden niedergelegt, jedes noch so kleine Gebäude außerhalb der Mauern, das dem Feinde Schutz bieten könnte, dem Erdboden gleichgemacht. Die Scherze und das Lachen waren ihnen vergangen. Zu schrecklich waren die Berichte über die mächtige Artillerie, die von Maastricht herkommend auf das Kurfürstentum Köln zurollte, von burgundischen Reitern in großer Zahl, von pikardischen Kriegsknechten, Söldnern aus der Lombardei und englischen Bogenschützen.
    Karl der Kühne – von Gottes Gnaden Herzog von Burgund, von Lothringen, von Brabant, von Limburg, von Luxemburg und Geldern, Graf von Flandern, von Artois, von der Freigrafschaft Burgund, Pfalzgraf von Hennegau, von Holland, von Seeland, von Namur und von Zutphen, Markgraf des Heiligen Reiches, Herr von Friesland, von Salins und von Mechelen – hatte bereits die Stadt Neuss, nur einen Tagesmarsch rheinabwärts, erreicht und schickte sich an, die kleine, vom Fluss umarmte Stadt zu belagern. Gestern nun hatte die Stadt Köln Ruprecht von der Pfalz offiziell den Krieg erklärt, dem Herrn, der Anspruch auf den Titel des Erzbischofs von Köln erhob. Ruprecht hatte sich mit der kölnischen Bürgerschaft überworfen und war von ihr vertrieben worden. Das Domkapitel hatte stattdessen den Landgrafen Hermann von Hessen zum Beschirmer und Verweser des Stiftes bestimmt. Da dem Inhaber des Erzbischofsstuhls von Köln auch die Würde eines Kurfürsten des Reiches zukam, ging es zudem um das Kurfürstentum Köln. Nun versuchte Ruprecht, diesen Anspruch mit Hilfe des Burgunders, mit dem er entfernt verwandt war, durchzusetzen. Nachdem er ihm eine hohe Geldsumme und territoriale Rechte in Kurköln in Aussicht gestellt hatte, versprach der Burgunderkönig Ruprecht Neuss und Köln für ihn zu unterwerfen.
    Seit nahezu zwei Wochen arbeiteten die Bürger Kölns von früh bis spät fieberhaft daran, die größte Stadtbefestigung, die je eine Stadt umgeben hatte, in Verteidigungszustand zu versetzen. Die Gräben wurden von Unrat befreit und vertieft, mit dem Aushub dann die Wälle erhöht. Zusätzliche Bollwerke wurden errichtet, kleinere Stadttore ließ man einfach zumauern. Keiner ging mehr seiner herkömmlichen Beschäftigung nach.
    Der Schweiß troff Fygen von den Schläfen, rann in ihr Mieder und verschwand in einem nicht enden wollenden Rinnsal zwischen ihren Brüsten. Fygen zog den Lappen fest, den sie sich als Schutz um die Hand gewickelt hatte. Wieder hob sie die Hacke und ließ sie neben der Wurzel eines Holunderbusches auf die feste Erde niederfahren. Längst hatte der rauhe Stiel Blasen zwischen Daumen und Zeigefinger hinterlassen. Doch die Schufterei half gegen die Angst. Sie gab den Einwohnern das Gefühl, etwas

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