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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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die schwere Tür des Kontors, und ein junges Dienstmädchen schob sich in den Raum. Ihr Knicks war eine Spur zu lasziv, und Gertrud van der Sar erkannte sofort, dass es sich um die aktuelle Favoritin des Hausherrn handeln musste.
    »Was gibt es?«, wollte Johann Byrken wissen.
    »Ein Mädchen ist hier. Fygen van Bellinghoven. Sie sagt, sie sei bestellt worden …«
    »Nie gehört, den Namen«, brummte Byrken.
    »Doch, das ist richtig. Herein mit ihr.« Mit wenigen Schritten hatte Peter den Raum durchmessen und flüsterte Fygen verstohlen zu: »Keine Angst, kleiner Mösch. Antworte nur ganz ehrlich auf meine Fragen. Und keine frechen Sprüche, verstanden?« Er ließ ihr keine Zeit zu irgendeiner Reaktion, sondern begann sogleich mit seiner Befragung.
    »So, du willst also die Lehrstelle wechseln?«, lautete seine erste Frage, auf die er jedoch keine Antwort zu erwarten schien. Es klang eher wie eine Feststellung.
    Fygen schaute ihn groß an. War es das? Hatte irgendjemand sie im Zorn über ihre Lehrherrin schimpfen hören? Und dann angeschwärzt? Sie hätte nicht schwören können, nie geäußert zu haben, dass sie lieber heute als morgen von Mettel fortkönnte.
    »Wer ist deine Lehrherrin?«, lautete die nächste Frage.
    »Die al …« hob Fygen an, doch rasch verbesserte sie sich: »Mettel Elner.«
    »Und du willst jetzt bei Katryn Ime Hove weiterlernen?«
    Fygen war verwirrt. Nie war sie auf die Idee gekommen, dass es überhaupt die Möglichkeit geben könnte, von Mettel fortzugehen und trotzdem Seidmacherin zu werden. Langsam dämmerte ihr, was Peter hier versuchte zu arrangieren. Vage nickte sie.
    »Bei Katryn Ime Hove, der Tochter vom alten Starkenberg?« Gertrud van der Sar reckte ihren langen, dürren Hals vor. »Die hat doch selber gerade erst ausgelernt. Kann sie sich überhaupt eine Lehrtochter leisten? Man munkelt da Dinge …«
    Empört holte Fygen Luft, um Frau van der Sar eine passende Antwort zu geben, doch in letzter Sekunde nahm sie Peters winziges Kopfschütteln wahr und schluckte die bissige Bemerkung hinunter, die ihr auf der Zunge lag. »Bei Mettel gibt es nicht viel zu essen, weniger kann es bei Katryn auch nicht werden«, sagte sie stattdessen. Und dass dies keine Lüge war, davon konnten die hohen Damen und Herren vom Seidamt sich unschwer mit einem Blick auf Fygens abgemagertes Schlüsselbein überzeugen, das hungrig aus dem Ausschnitt ihres Mieders stach.
    »Ach wie schrecklich.« Dora van Attendarne verzog mitleidig den Mund. Für sie konnte es keinen wichtigeren Grund geben, die Lehrstelle zu wechseln, als wenn die Lehrherrin zu geizig war, ihre Mädchen ordentlich zu verköstigen. Und leisten konnte sich die alte Mettel das wohl, so viel wusste die Frau vom Seidamt auch.
    Peter nickte beifällig. Fygens Antwort war genau die richtige gewesen. »Wenn Katryn Ime Hove sagt, sie will sie als Lehrtochter nehmen, so wird sie das schon können«, stellte er fest.
    »Ich finde, das geht nicht. Ein Lehrmädchen kann nicht so einfach mir nichts, dir nichts die Stelle wechseln«, widersprach Gertrud van der Sar.
    »Laut der Zunftordnung ist es einem Lehrmädchen mit unserer Zustimmung möglich, einmal während der Lehrzeit die Stelle zu wechseln«, klärte Peter sie ruhig auf und gab sich weiterhin den Anschein des Unbeteiligten.
    »Ich für meinen Teil werde dem keinesfalls zustimmen. Wenn wir das heute zulassen, dann stehen morgen alle Lehrmädchen der Zunft vor uns und wollen eine andere Lehrherrin haben«, beschied ihm Gertrud van der Sar.
    Alte Zange, dachte Fygen.
    Peter stellte gezielt die nächste Frage: »Seit wann bist du schon bei Mettel Elner?«
    »Seit etwas über einem Jahr.«
    Wie lange sollten die Fragen denn noch weitergehen? Dora van Attendarne ging das alles gehörig auf die Nerven. Ihr war so warm. Wenn das Mädchen die Lehrherrin wechseln wollte, von ihr aus – bitte schön! Warum nicht? Die alte Mettel würde sicher ein neues Lehrmädchen finden. Nach einem Jahr Lehrzeit war es noch kein allzu großer Verlust, ein Mädchen zu verlieren. So viel konnte sie bis dahin kaum gelernt haben, zumal die Unsitte, die Mädchen im ersten Lehrjahr für die Hausarbeit heranzuziehen, weit verbreitet war. Entschieden setzte sie ihren leeren Becher auf dem niedrigen Tisch vor ihr ab. »Lasst uns endlich zu einer Entscheidung kommen«, drängte sie. »Also von mir aus kann sie zu Katryn Ime Hove gehen.«
    »Ich bin einverstanden«, erklärte Peter vielleicht eine Spur zu schnell. »Was ist

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