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Die Seilschaft

Die Seilschaft

Titel: Die Seilschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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wenigsten ich. Du warst ein richtiger Kotzbrocken, als ich dich damals vom Flughafen abgeholt habe. Weißt du noch?»
    «Klar. Aber du warst auch nicht von schlechten Eltern. Ein blutig aufgeschlagenes Knie und Hühnerfedern in den Haaren. Meine Fresse, wie du dann durch den ganzen Flughafen gehumpelt bist und jeden angequatscht hast, ob er Jo Kilian sei. Ich dachte, das darf doch nicht wahr sein. Wer hat mir diesen Verrückten auf den Hals gehetzt?»
    Heinlein lachte. «Und als du dann den Oberhammer in der Residenz hast auflaufen lassen, mit deinem lächerlichen Cowboyhut auf dem Kopf.
Ich bin der angeforderte Spezialist von Interpol.
Ich hätt mich vor Lachen glatt wegschmeißen können, ehrlich.»
    «Nichts gegen den Cowboyhut», stimmte Kilian mit ein, «der hat mir das Leben gerettet.» Er blickte zur Seite. Heinlein war abgelenkt. Jetzt war ein guter Moment, um die Waffe zu greifen. Seine Hand hob sich   …
    Doch Heinlein war auf der Hut.
    «Lass es», erwiderte er unvermittelt und scharf. «Niemand fasst meine Waffe an.»
    Er nahm sie in die Hand.
    «Entschuldige», lenkte Kilian ein. «Was willst du eigentlich mit dem Ding?»
    Heinlein ließ sich Zeit mit der Antwort. «Sie ist meine letzte freie Entscheidung.»
    «Welche Entscheidung gilt es zu treffen?»
    «Das weißt du besser als ich.»
    Kilian hatte keine Ahnung, wovon er sprach. «Klär mich auf.»
    «Damals an der Autobahnauffahrt bei Randersacker, als der Regen fiel und sich das Magnesium entzündete, hätte ich diesen Wahnsinnigen von seiner Tat abhalten müssen und nicht du.»
    Kilian rätselte, was er damit meinte. Er war näher an dem Kreis mit dem tödlichen Magnesium gestanden als Heinlein. Er hatte instinktiv gehandelt, ohne über die Konsequenzen seines Tuns nachzudenken. Er wollte nur den Täter und sein Opfer vor dem sicheren Tod bewahren. Leider war ihm das gründlich misslungen.
    «Ist doch egal, wer von uns beiden eingeschritten ist   … und nebenbei bemerkt: Ich habe auf ganzer Linie versagt.»
    Heinlein schaute ihn entgeistert an. «Hast du den Verstand verloren? Ich habe versagt, nicht du. Ich war der Leiter der Ermittlungen, ich hätte einschreiten müssen, bevor es überhaupt so weit kommen konnte, und ich   … hätte am ganzen Körper verbrannt werden sollen und nicht du.»
    Jetzt war es heraus. Sein Freund und Kollege Schorsch machte sich Vorwürfe wegen des Unfalls.
    «Hör mit dem Scheiß auf», sagte Kilian. «Dich trifft nicht die geringste Schuld. Ich war nicht schnell genug. Das ist alles. Schwamm drüber.»
    Doch die Worte erreichten Heinlein nicht mehr. Er begann zu schluchzen.
    «Ich war der Leiter der Ermittlungen   … ich hätte es verhindern können   … ich habe es nicht geschafft.»
    Kilian legte den Arm um seine Schulter. «Du hast alles richtig gemacht, mein Freund. Glaub mir, ich hätte nicht anders gehandelt als du.»
    Heinlein streckte die Hand mit der Waffe aus.
    «Mach keinen Scheiß. Nimm sie wieder runter», beschwor ihn Kilian.
    «Das Schlimmste ist», sagte Heinlein, «ich habe keine Kontrolle mehr über mich. Da, schau dir meine Hand an.»
    Heinlein hatte Mühe, die Waffe ruhig zu halten. Seine Hand zitterte, und sosehr er sich auch bemühte, er konnte das Zittern nicht unterbinden.
    «Das geht jetzt schon seit Wochen so», klagte er. «Ich kann absolut nichts dagegen tun.»
    Kilian legte seine Hand auf Heinleins. «Dann lass es uns gemeinsam versuchen.»
    Es dauerte, bis das Zittern langsam verebbte. Schließlich nahm Kilian die Waffe ohne jegliche Gegenwehr an sich.
    «Siehst du? Das war gar nicht so schwer. Und jetzt lass uns reingehen, bevor wir uns hier draußen den Tod holen.»
    Heinlein nickte wie abwesend und erhob sich.
    Claudia, die vom Fenster aus alles beobachtet hatte, kam auf sie zu. Kilian bat sie, auf Abstand zu bleiben.
    «Ruf ein Taxi.»
     
    Während der Fahrt in die Nervenheilanstalt fragte sich Kilian, ob er das Richtige tat. Wenn herauskam, dass Heinlein – einem Nervenzusammenbruch nahe – in die psychiatrische Abteilung des Universitätsklinikums eingeliefert worden war, dann würde das Konsequenzen haben. Aber es blieb ihm keine andere Wahl. Heinlein war am Ende eines Weges angekommen, und es war seine Schuldigkeit als Freund, Schlimmeres zu verhindern. Der Job besaß keine Bedeutung mehr.
    Nach quälend langen dreißig Minuten in der Notaufnahme lag Heinlein dann endlich im Bett. Kilian wachte vor seiner Tür. Claudia war mit einem zweiten Taxi gekommen und verlangte

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