Die Seilschaft
gestellt. Ich sorge für die Beweise.»
«Damit machen Sie alles kaputt», sagte Kilian. «Nicht nur Ute Mayer, sondern auch ihren Club der Ehemaligen.»
Hilde Michalik scherte das wenig. «Weder Ute noch der Club haben irgendeine Bedeutung. Sie werden von anderen Netzwerken geschluckt, bis sich wieder neue ergeben. Ein ewiger Kreislauf.»
«In wessen Auftrag handeln Sie?»
«Das wollen Sie nicht wissen. Glauben Sie mir. Es sind mächtige Leute, denen Sie besser nicht in die Quere kommen.»
«Aber wenn Ute Mayer auf die Frage antwortet, dann gehen auch Sie mit ihr unter.»
«Das wird sie nicht wagen.»
Die Reporterin stellte die von Hilde Michalik verlangte Frage wortwörtlich.
Ute Mayer war verwirrt, antwortete ausweichend, bis die Reporterin unerbittlich nachhakte.
«Es liegen Beweise vor, dass Werner Schwerdt und Charlotte Henning ein Verhältnis hatten. Sie haben sich das zunutze gemacht und Ihren Vorteil daraus gezogen.»
Ute Mayer verstummte für einen Augenblick. Dann versuchte sie den Gegenangriff.
«Ich hege schon länger den Verdacht gegen eine meiner Mitarbeiterinnen, dass sie im Auftrag einer mächtigen und gefährlichen Gruppierung infame Lügen verbreitet. Geben Sie mir die Gelegenheit, und ich werde …»
Das Bild wechselte in den Saalbau. Der Regisseur im Sendestudio hatte sie vom Sender genommen.
«Sehen Sie», triumphierte Hilde Michalik, «das geschieht mit Verrätern.»
«Sie mundtot machen?», fragte Kilian. «Irrtum, es gibt einen Zeugen für Ihre Machenschaften.»
«Wer sollte das sein?»
«Er steht vor Ihnen.»
Kilian hatte genug gehört und gesehen. Es war höchste Zeit, Vroni ins Krankenhaus zu bringen. Den Rest würden die Kollegen übernehmen.
Er bückte sich und fasste Vroni am Arm.
Hinter ihm wurde eine Schublade geöffnet. Kurz darauf hörte er das vertraute, metallisch klingende Einrasten eines Hahns. Er spürte, dass eine Waffe auf ihn gerichtet war.
«Sie lassen mir keine andere Wahl», sagte Hilde Michalik. «Es steht zu viel auf dem Spiel.»
Noch bevor Kilian reagieren konnte, hörte er eine Stimme von der Tür.
Sie war laut, unmissverständlich und sehr vertraut.
«Nehmen Sie die Waffe runter», sagte sein Chef Klein höchstpersönlich.
Epilog
Die Wahlbeteiligung war unter der Fünfzig-Prozent-Marke geblieben. Noch in der Wahlnacht präsentierte sich trotzdem jede Partei als Sieger, auch wenn sie allesamt herbe Verluste hatten hinnehmen müssen. In den kommenden Wochen standen aufreibende Koalitionsgespräche ins Haus. Aber wen interessierte das noch?
Am Tag nach der Wahl ging alles seinen gewohnten Gang – so als sei eine Grippe überstanden. Die Börsenkurse zogen wieder an, Wahlversprechen wurden relativiert, die Bürger schimpften über den goldenen Handschlag für einen Manager, dessen Unfähigkeit Tausende Arbeitsplätze vernichtet hatte.
Ansonsten blieb alles ruhig.
Vielleicht lag es am frühen Schnee, der ein weißes Tuch der Unschuld über Würzburg gebreitet hatte.
Am Schalksberg fand sich Kommissar Heinlein zur Gruppentherapie ein. Thema der Stunde:
Der Angst begegnen
.
Eine Neue war dazugekommen, eine junge Frau namens Vroni. Anfangs wirkte sie noch etwas schüchtern. Doch als sie spürte, dass sie sich unter Leidensgefährten befand, die ein ähnliches Schicksal teilten, öffnete sie sich. Sie berichtete von ihrem Vater, den sie nur kurz kennengelernt hatte, zeigte unter Tränen die Bilder, die sie in einer Hotelbar von ihm und seiner Geliebten aufgenommen hatte. Bei ihrer letzten Begegnung im Spessart wollte er sie nicht kennen und auch nichts mit ihr zu tun haben. Das hatte Vroni bis ins Mark erschüttert. Bei diesen Worten wurde sie von einem Weinkrampf geschüttelt, der inein leises Schluchzen überging, als die anderen Patienten sie solidarisch und voller Mitgefühl in ihre Arme nahmen.
Werner Schwerdt blieb seit jener Nacht vermisst. Er wäre auch schwer zu finden gewesen in jener unzugänglichen Felsspalte der Teufelsschlucht. Der Neuschnee bereitete ihm ein letztes, frisches Bett.
Ute Mayer war nach ihrem verhängnisvollen Interview erst einmal aus der Öffentlichkeit verschwunden. Doch schon bald sollte der neue Ministerpräsident auf sie zurückgreifen. Das tat er weniger aus Zuneigung oder wegen ihres politischen Talents, sondern weil in den Wahlkreisen überraschend viele Frauen gewählt worden waren. Diese Entwicklung galt es nicht aus den Augen zu verlieren und mit einem eigenen Ministerium zu honorieren.
Dem Vorwurf
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