Die Seilschaft
ermitteln. Was denkst du, Kilian?»
Der war mit seinen Gedanken noch bei Pia.
«Ja, sicher. Ein guter Ansatz. Irgendwelche Einbruchsspuren?»
Schneider verneinte.
«Dann legt mal los.»
Heinlein und Schneider machten sich auf den Weg. Kilian war unschlüssig, ob er noch auf Pia warten sollte.
Heinlein erriet, was ihn beschäftigte.
«Komm, ich nehm dich in die Stadt mit.»
«Nicht nötig. Ich …»
«Keine Widerrede. Du bist Privatier und hast an einem Tatort nichts verloren. Außerdem solltest du einer Schwangeren nicht widersprechen. Völlig sinnlos. Hormonell bedingt. Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche.»
Der Weg zurück in die Stadt verlief durch den dunklen Gramschatzer Wald mit seinen vielen Wegen und Abzweigungen. Jetzt erst wurde Kilian klar, dass er große Probleme gehabt hätte, allein zurückzufinden.
«Was machst du eigentlich hier draußen?», wollte Heinlein wissen.
«Zerstreuung und Ablenkung. Ein bisschen Bewegung kann auch nicht schaden.»
«Solltest du es laut deinem Arzt nicht ein wenig langsamer angehen? Ich meine, was ist gegen eine gepflegte Partie Schach im Park einzuwenden?»
«Dafür ist Zeit, wenn ich pensioniert bin.»
«Das kommt schneller, als man denkt.»
«Was meinst du damit?»
Heinlein ließ die Frage unbeantwortet, und Kilian dachte, dass ein guter Zeitpunkt gekommen wäre, ihn nach seiner auffälligen Reizbarkeit zu fragen. «Wie läuft’s bei dir so?»
«Gut. Und bei dir?»
«Lass uns mal einen Moment bei dir bleiben. Alles okay zu Hause?»
«Sicher. Was sollte sein?»
«Ich habe den Eindruck, dass dich etwas beschäftigt.»
«Wie kommst du darauf?»
«So wie du Schneider zusammengestaucht hast. Das kenne ich gar nicht von dir.»
«Falscher Zeitpunkt. Nichts weiter.»
Die Autobahnzufahrt tauchte vor ihnen auf, und Heinlein drückte aufs Gas. Er blinkte nicht, schaute weder in den Rückspiegel noch zur Seite. Ein heranrauschender Zwanzigtonner musste abbremsen, um einen Unfall zu vermeiden. Er machte seinem Ärger mit allen Hupen und Lichtern Luft, die er besaß.
Kilian glaubte, sein Herz würde stehenbleiben, so knapp waren sie einem Zusammenstoß entkommen.
«Was war das denn gerade?!»
Heinlein, unbeeindruckt und seelenruhig, zog auf die Überholspur.
«Viel Lärm um nichts. Da war genug Platz für uns beide.»
«Blödsinn. Du hättest uns fast umgebracht.»
Heinlein lächelte, aber seine Hände zitterten.
4
Die Vorstellung, dass der Stress der Arbeit und des Lebens bis ins Rentenalter andauern sollte, befremdete Hilde Michalik. Irgendwann musste doch einmal Schluss sein, und das würde am Tag der Wahl sein. Dann wäre alles vorbei, und sie könnte getrost den Schreibtisch für ihre Nachfolgerin räumen. Nach einem ausgedehnten Urlaub auf Mallorca, dem Besuch der Freunde in der alten Heimat in Schlesien würde sie endlich den Jakobsweg beschreiten können. Darauf freute sie sich. Zeit hatte sie ja dann genug.
Über vierzig Jahre hatte sie sich in den Dienst der Partei gestellt, war mit den großen und kleinen Führern auf Du und Du gestanden und hatte für jedes Problem ein Ohr. Das hatte ihr den Beinamen Tante Hilde eingebracht. Tante Hilde war die Seele der Partei. Wer sie nicht kannte, war weit vom Herzen der Partei entfernt. In ihrem Büro liefen viele der unsichtbaren Fäden zusammen, die von den Orts- und Kreisgruppen über München bis nach Berlin gespannt waren. Niemand zog an einem dieser Fäden, ohne dass sie davon Wind bekam.
Das war wohl auch der Grund, wieso die frühere Staatsministerin Ute Mayer nicht auf ihre Dienste verzichten wollte. Sie waren beide ein weites Stück zusammen gegangen, bis vor drei Jahren Ute Mayers überraschende Entlassung die Würzburger Gruppe ins Hintertreffen brachte.
Die altbayerischen Parteifreunde zogen die Demarkationslinie neu, so wie sie bereits zu Zeiten der alten Parteibonzen Gültigkeit besessen hatte.
Kein fränkischer Minister und schon gar nicht eine Ministerin sollten je wieder am Kabinettstisch der Staatskanzlei sitzen.
«Ich bin dann so weit», sagte Ute Mayer.
Sie stand abreisebereit vor dem Schreibtisch von Tante Hilde und wartete auf letzte Instruktionen.
«Zwanzig Uhr Essen mit dem Vorstandsvorsitzenden der Biogas AG im Aquarello», antwortete Hilde mit Blick auf den Terminkalender. «Anschließend musst du dir den Gesetzentwurf noch einmal genauer ansehen, bevor du ihn morgen an Schwerdt weiterleitest. Sein Assistent macht Druck.»
Ute Mayer nickte. «Ist klar. Wann
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