Die Seilschaft
ein antiquiertes Ding ohne Probleme nach.»
«Frag trotzdem mal rum, ob sie so einen alten Schlüssel in letzter Zeit gesehen haben.»
Schneider seufzte. «Das ist aussichtslos.»
«Im Gegenteil. Ein heute üblicher Sicherheitsschlüssel würde nicht auffallen. Aber so ein Monstrum bleibt schon mal in der Erinnerung hängen.»
Widerwillig stimmte Schneider zu.
«Wo steckt der Schorsch überhaupt? Ich hab ihn seit der Waldhütte nicht mehr gesehen.»
Gute Frage, dachte Kilian. Womit war der Leiter der Mordinspektion denn heute beschäftigt?
Er musste sich bald was einfallen lassen, um solche neugierigen Fragen endgültig zu unterbinden.
«Er ist auf einem auswärtigen Termin.»
«Was für ein auswärtiger Termin?», rätselte Schneider.
«Er ist bei einem forensischen Anthropologen.»
«Das ist einer, der Skelette auf Hinweise untersucht. Richtig?»
Kilian nickte und löste sich aus dem Gespräch, bevor Schneider weiter dumme Fragen stellte.
«Ich knöpf mir diesen Lutz Bender vor. Du rufst mich an, wenn sich bei dir was Neues ergibt.»
Wie nicht anders zu erwarten war, herrschte in den Räumen der Würzburger Gruppe Hochbetrieb. Eine Blitzumfrage eines Meinungsforschungsinstituts hatte der Partei einen ganzen Prozentpunkt mehr versprochen, seitdem Werner Schwerdt zurückgetreten war und Sandra Wagner die Position der neuen Generalsekretärin eingenommen hatte.
Zahllose Packen frischgedruckter Wahlkampfplakate waren von einem Moment auf den anderen Makulatur geworden. Mit Werner Schwerdts Konterfei war kein Staat mehr zu machen.
An seine Stelle rückte die aufstrebende Sandra Wagner, wie Kilian beim Betreten der Räume feststellte. Auf den Computermonitoren flimmerte ihr Gesicht in den neu zu erstellenden Broschüren und Plakaten – hier im Kreise der Kollegen im Europaparlament, dort beim Handschlag mit dem Präsidenten einer baltischen Republik. Sie wurde als Weinkönigin gezeigt, als Siegerin der bayerischen Meisterschaften im Vierhundertmeterlauf und in Anwaltsrobe.
«Wo kann ich Lutz Bender finden?», fragte Kilian.
«Irgendwo dahinten.»
Dahinten war am Ende des Gangs, der in ein Besprechungszimmer führte. Am Tisch saß eine Handvoll junger Menschen, die sich offensichtlich nicht einigen konnten.
«Wir setzen auf Kraft und Tradition», sagte einer.
Ein anderer widersprach.
«Nein und nochmals nein. Das sind abgedroschene Worthülsen. Davon haben wir genug.»
Eine Frau pflichtete ihm bei.
«Sandra muss vollkommen anders positioniert werden. Weg von diesem verstaubten Altherrenimage, das ohnehin niemanden mehr interessiert, hin zu mehr Authentizität.
Ein neues Land, eine neue Generation. Sandra Wagner.
»
Der Einwurf fand wenig Gegenliebe.
«Authentizität … wenn ich das schon höre. Die Menschen wollen jemanden wählen, dem sie die Lösung ihrer Probleme zutrauen.»
«Wieso soll Sandra das nicht sein?»
«Sandra war für viele in Brüssel nahezu unsichtbar. Wen interessiert schon das Europaparlament? Wir müssen Sandra erst wieder einführen, und zwar so, als würde sie zum ersten Mal antreten. Daher votiere ich dafür, dass wir sie unter das Dach des Parteislogans stellen: Kraft und Tradition.»
«Blödsinn, Blödsinn, Blödsinn», echauffierte sich eine Frau. «Das ist das gleiche alte Schema, dem wir die Verluste der letzten Wahlen zu verdanken haben. Wir sind doch keine bigotten Hausfrauen mehr, sondern haben studiert, promoviert und tragen unseren Teil zum Bruttosozialprodukt bei. Mach deine Augen auf, du Fossil. Die Zeiten haben sich geändert. Wenn schon
Kraft
, dann
Kraft durch Veränderung
.»
«Die Zeiten ändern sich ständig», sagte ein anderer. «Diese ganze Frauenpowerwelle ist doch Schnee von gestern. Schwule und Lesben sind angesagt.»
«Aber nicht in Bayern.»
«Todsünde.»
«Sodom und Gomorrha.»
«Ewige Verdammnis.»
Kilian klopfte an die Tür.
«Lutz Bender. Ich möchte mit ihm sprechen.»
«Wer sind Sie?», fragte einer, der sich offensichtlich angesprochen fühlte.
Es war ein junger Mann, der Kilian an einen Studenten der Betriebswirtschaft im achten Semester erinnerte – akkurate Frisur, V-Pullover auf Bundfaltenhose.
«Kilian, Kripo Würzburg.»
«Lassen Sie uns nach nebenan gehen.»
Er führte Kilian in einen Nebenraum. Dort stand eine junge Frau am Kopierer und überwachte die Produktion von Handzetteln. Schwarze, zu Spitzen gegelte Haare ließen sie eher in einer ökologischen Partei vermuten als in der konservativen, und die
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