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Die Seilschaft

Die Seilschaft

Titel: Die Seilschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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zahlreichen Piercings in Ohren und Lippen waren eindeutige Zeichen von Nonkonformismus, nicht bodenständiger Heimatverbundenheit.
    «Wollt ihr allein sein?», fragte sie.
    «Nicht nötig», antwortete Bender. Er wandte sich Kilian zu. «Womit kann ich Ihnen helfen?»
    «Es handelt sich um die Waldhütte im Gramschatzer Wald.»
    Er verstand schnell. «In der Petra gefunden wurde?»
    «Sie stehen auf der Mieterliste.»
    «Macht mich das verdächtig?»
    «Sie gehören damit zum Kreis der Personen, der Zugang zur Hütte hatte.»
    «Da bin ich nicht der Einzige. Viele waren schon in der Hütte. Außerdem ist das zwei Monate her. Petra wurde aber vor ein paar Tagen gefunden.»
    «Wie standen Sie mit Petra Bauer? Ich hörte, sie war Mitglied in Ihrem Verein.»
    Bender reagierte pikiert. «Der Verein ist eine Partei – eine große mit einer langen Tradition.»
    «Ich interessiere mich nicht für Politik. Und von Tradition scheinen Ihre Kollegen auch nicht viel wissen zu wollen.»
    «Das wird sich schnell ändern, wenn wir die Wähler von unseren Zielen überzeugt haben, die, nebenbei bemerkt, auch die Ihren sein dürften.»
    «Dann sind Sie also
nah am Menschen
, wie ich überall lesen kann.»
    «Wer für Fortschritt, traditionelle Werte und Familie steht, findet bei uns ein Zuhause.»
    Kilian schmunzelte. Irgendwie hatte er diese Sprüche schon tausendmal gehört.
    «Zurück zu Petra Bauer. Was können Sie mir über sie sagen?»
    «In welcher Hinsicht?»
    «Beschreiben Sie sie mir. Was hat sie in der Partei gemacht? Hatte sie Freunde, Feinde? Wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?»
    Viele Fragen, die da auf Bender einprasselten. Er begann mit der letzten.
    «Ich sah sie zuletzt beim gemeinsamen Abendessen. Sie hatte im Service gearbeitet, wie wir alle. Wir waren den ganzen Tag auf den Beinen und dementsprechend erschöpft. Das Abendessen sollte uns aber für vieles entschädigen. Wann hat man schon mal die Gelegenheit, mit den Parteispitzen am selben Tisch zu sitzen und sich auszutauschen?»
    «Neben wem saß Petra Bauer?»
    «Sie hatte Glück   …» Bender korrigierte sich. «Im Nachhinein vielleicht doch nicht. Egal, sie saß neben unserem ehemaligen Generalsekretär Werner Schwerdt.»
    «Wie kam es dazu? Ich meine, gab es eine festgelegte Sitzordnung?»
    «Eigentlich schon, aber die hatte sich nach dem Dessert aufgelöst. Dann suchte sich jeder seinen Tischnachbarn aus.»
    «Wer saß zu Beginn des Essens neben Werner Schwerdt?»
    «Ich.»
    «Darüber müssen Sie sehr froh gewesen sein.»
    «Warum?»
    «Man sitzt nicht jeden Tag neben einem der wichtigsten Männer der Partei.»
    Bender winkte ab. «Ich habe nicht viel für diesen Personenkult übrig. Er ist auch nur ein Soldat unter vielen. Ja, es war nett, ihn mal persönlich kennenzulernen, aber das war’s dann auch. Viel wichtiger sind die Inhalte unserer Politik. Darüber wird viel zu wenig geredet.»
    «Haben Sie mit Schwerdt darüber gesprochen?»
    «Nur am Rande. Er hatte anderes im Sinn.»
    «Und das war?»
    «Ich weiß es nicht. Er war den ganzen Abend ziemlich fahrig, so, als interessiere ihn das Zusammenkommen mit der Basis nicht sonderlich.»
    «Für was hat er sich dann interessiert?»
    Bender wich der Frage aus. Er blickte hinüber zum Kopierer, ob die Frau ihnen zuhörte.
    «Es ist eine unschöne Sache gewesen. Ich möchte eigentlich nicht darüber sprechen.»
    Die Frau schien dennoch verstanden zu haben. Sie nahm einen Stoß Handzettel und verließ den Raum.
    «Also, was oder wem hat Schwerdts Interesse an jenem Abend gegolten?», hakte Kilian nach.
    «Über die Toten soll man nicht schlecht sprechen», wand sich Bender, «aber Petra hatte sich an diesem Abend unmöglich verhalten.»
    «Das bedeutet?»
    «Sie hat sich Werner förmlich an den Hals geworfen.»
    Kilian merkte auf. Bisher hatten alle Zeugen, wie auch Schwerdt selbst, Gegenteiliges behauptet. Schwerdt habe sich an Petra Bauer herangemacht. Nun sollte es andersherum gewesen sein?
    «Wie hat Schwerdt darauf reagiert?»
    «Wie jeder normale Mann. Er fühlte sich geschmeichelt. Petra war sehr attraktiv.»
    «Kam es im Laufe des Abends zu einem intimen Kontakt?»
    «Gott bewahre. So weit hatten sie sich noch im Griff.»
    «Wie haben Ihre Kollegen auf das Techtelmechtel reagiert?»
    «Sie waren natürlich empört. Niemand konnte sich erklären   …»
    Lautes Geschepper schnitt ihm das Wort ab. Es kam vom Gang her.
    «Was ist denn jetzt schon wieder?», sagte Bender genervt und ging

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