Die Seilschaft
die Mehrzahl aller Straftaten von Männern verübt?»
«Weil es dauert, bis der kritische Moment bei uns erreicht ist. Bis dahin kann viel passieren. Aber wenn es dann so weit ist, gibt es kein Zurück mehr. Außerdem sind Frauen schlauer als Männer. Sie morden unauffälliger und werden daher auch seltener erwischt.»
«Wie zum Beispiel?»
«Gifte können schwer nachweisbar sein, falsch verabreichte Medikamente deuten auf einen Unfall hin, und schließlich die Königsdisziplin: Männer in den Selbstmord treiben.»
«Selbstmord», antwortete Kilian. «Wie sollte das einer Frau gelingen?»
Pia lächelte. «Wenn sie dein Geheimnis kennt, dürfte ihr das nicht allzu schwerfallen.»
Kilian winkte ab. «Wegen eines verratenen Geheimnissesbringt sich heute kein Mann mehr um. Früher, als seine Ehre auf dem Spiel stand, mochte das einer Frau noch gelingen. Aber heute?»
«Da wäre ich mir nicht so sicher», antwortete Pia. «Denk an Schorsch. Was hat ihn in die Klapse gebracht?»
«Überbelastung, Burnout und eine vorübergehende Schwäche. Er braucht Urlaub. Das ist das ganze Geheimnis.»
«Der Job und die neue Wohnung waren nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Da ist lange zuvor etwas schiefgelaufen.»
«Und das wäre?»
«Eine falsche Einstellung zu den Dingen. Stell dir vor, Schorsch hätte nicht das Gefühl gehabt, sich in der neuen Rolle als Erster Kommissar beweisen zu müssen. Oder er hätte sich bei dem Kredit für die Wohnung sagen können: Hey, soll die Bank jetzt mal schauen, wie sie wieder zu ihrem Geld kommt. Ich mache mir deswegen keinen Stress.»
«Schorsch ist der Sohn eines pflichtbewussten Eisenbahners. Da gilt ein Wort noch.»
«Genau darum geht es – ein verbindliches Wort. Er hat das Versprechen auf Rückzahlung des Kredits und das Versprechen auf Leistung in der Rolle des Ersten Kommissars überbewertet. Mehr als ihm lieb sein konnte. Claudia ist da völlig anders. Sie weiß, dass ein verbindliches Wort eine Absichtserklärung ist. Sie bemüht sich darum, es einzuhalten, ja, aber wenn es ihr nicht mehr gelingt, dann befreit sie sich daraus.»
«Sie begeht Wortbruch. Daran kann ich nichts Erstrebenswertes erkennen.»
«Wenn es hilft, Schlimmeres zu verhindern? Männer verfangen sich in Worten wie eine Motte im Lampenschirm. Wenn sie nur ein wenig Ruhe und Umsicht walten ließen, könnten sie sich aus der Falle befreien. Frauen haben damit kein Problem.»
Im Fernsehen hatte der Wetterbericht inzwischen Regen für den kommenden Tag vorausgesagt. Nun sollte der erwartete Krimi folgen. Doch bevor es dazu kam, schob sich eine Eilmeldung dazwischen.
«Wie soeben aus der Staatskanzlei bekannt wurde, ist für den zurückgetretenen Werner Schwerdt Ersatz gefunden worden. Die frühere Staatsministerin und jetzige Europaabgeordnete Sandra Wagner tritt die Nachfolge als Generalsekretärin der Partei an.»
«Das ging ja flott», sagte Pia. «Endlich wieder mal eine Frau in einer verantwortlichen Position. Weiter so. Stammt sie nicht aus unserer Gegend?»
«Könnte sein. Irgendwo vom Untermain her.»
«Marktheidenfeld oder Lohr. Ich bin mir nicht sicher. Eine Fränkin als Generalsekretärin hat es noch nie gegeben. Kompliment. Da tut sich ja endlich was.»
«Weißt du noch», fragte Kilian, «wieso diese Wagner ihren Ministerposten damals hat räumen müssen?»
Pia dachte nach. «Wegen irgendeines dubiosen Skandals, glaube ich. Aber frag mich nicht, welcher das war.»
Kilian erinnerte sich. Aber da war noch etwas anderes.
Sandra Wagner war nicht in Frieden gegangen.
14
Dem Zimmermädchen war nichts Außergewöhnliches aufgefallen. Als sie an jenem Morgen das Hotelzimmer von Werner Schwerdt betrat, habe sie zwar eine große Unordnung vorgefunden, aber von Blut auf dem Bett, dem Fußboden oder im Badezimmer hatte sie nichts feststellen können.
Kilian hatte sie auch nach Spuren eines Kampfes befragt, doch selbst hier musste sie passen. Nein, eine Auseinandersetzung, bei der Gläser oder das Mobiliar in Mitleidenschaft gezogen worden waren, hätte ihrer Meinung nach nicht stattgefunden.
«Hat sich jemand in dem Zimmer aufgehalten, als Sie es betreten haben?»
«Nein», antwortete die junge Frau. «Ansonsten wäre ich später wiedergekommen.»
«Sie haben also weder Herrn Schwerdt noch eine Frau angetroffen?»
«Es hat sich niemand im Zimmer befunden.»
«Und von einem Kampf war auch nicht die kleinste Spur zu erkennen?»
«Richtig.»
Konnte das stimmen? Nach
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