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Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)

Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Die Sekte der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Zeit, um …»
    Padre Libertino Samonà forderte:
    «Einen heiligen Kreuzzug müsst Ihr unternehmen!»
    Padre Angelo Marrafà drohte:
    «Ich schwöre, dass die Überlebenden der Cholera in alle Ewigkeit keinen Fuß mehr in diese Kirche setzen werden, wenn sie sich nicht von Matteo Teresi befreit haben!»
    Heroisch bot sich Padre Ernesto Pintacuda an:
    «Mit dem Kreuz werde ich euren Kampf anführen!»
    Allein Padre Mariano Dalli Cardillo hielt keine Predigt, er beschränkte sich darauf, mit seiner Pfarrgemeinde zu beten, dass Gott der Herr alle vor jener Cholera verschonen möge, die sich schon wie ein schreckliches Strafgericht ankündigte.
    Lautes Stimmengewirr unter seinem Fenster weckte den Bürgermeister Nicolò Calandro aus dem Schlaf. Seine Frau Filippa, die stocktaub war, schlief weiter. Im ersten Moment dachte der Bürgermeister an etwas, was früher oder später kommen würde, wie zu befürchten stand: einen Volksaufstand, angestachelt von diesem verfluchten Hurensohn, Avvocato Teresi.
    Und er sah sich schon mit den Füßen zuoberst an einem Baum mitten in den städtischen Grünanlagen hängen, wie es einem seiner Vorgänger, dem Bürgermeister Bonifazi, vor dreißig Jahren ergangen war.
    «Mich kriegen sie nicht lebend!», sagte er sich, während er aus dem Bett stieg und nach dem Revolver griff, den er in der Schublade des Nachttischchens verwahrte.
    Barfuß und im Nachthemd ging er ans Fenster und linste durch die Rollläden, die zum Glück nicht ganz geschlossen waren.
    Als er sah, was er sah, blieb ihm vor Staunen die Luft weg.
    Durch die Straße rannte eine unübersehbare Schar von Männern, Frauen, Alten, Jungen und Kindern, die Zicklein, Schafe, Hühner und Kaninchen unter dem Arm trugen und auf Handkarren, wenige auch auf Eseln, allerlei Hausrat wie Matratzen, Töpfe, Tonkrüge und mit Kleidung vollgestopfte Truhen hinter sich herzogen.
    Nein, das war keine Revolution, die hatten es nicht auf ihn abgesehen, diese Leute nahmen Reißaus. Aber warum? Was ging im Ort vor? Er zog den Rollladen hoch, beugte sich aus dem Fenster und fragte:
    «Was ist denn los?»
    «Die Cholera! Die Cholera!», ertönten viele Stimmen.
    Was zum Teufel redeten die da? Die Cholera?
    «Wer hat euch gesagt, dass die Cholera ausgebrochen ist?»
    «Don Anselmo Buttafava!», rief eine Frauenstimme.
    Don Anselmo war als ein besonnener Mensch bekannt, man konnte ihm glauben. Aber warum hat Dottor Bellanca ihm denn nichts gesagt?
    Der Bürgermeister zog sich in aller Eile an und verließ das Haus, ohne seine Frau zu wecken. Fünf Minuten später klopfte er an die Tür des Dottore.
    «Mein Mann ist gerade los, um nach Ihnen zu suchen!», rief Signora Bellanca ihm aus dem Fenster zu.
    Das Rathaus war um diese Zeit noch geschlossen, also musste der Dottore zu ihm nach Hause gegangen sein. Tatsächlich entdeckte Calandro ihn, wie er an die Tür klopfte, vergebens natürlich, denn bei ihrer Taubheit hätte Signora Filippa nicht mal ein Erdbeben gehört.
    «Warum um Himmels willen haben Sie mir nicht gesagt, dass die Cholera ausgebrochen ist?», herrschte der Bürgermeister ihn zornig an.
    «Bleiben Sie ruhig! Und sprechen Sie nicht in diesem Ton mit mir!»
    «Ist Ihnen klar, welche Verantwortung ich als Bürgermeister habe?»
    «Aber natürlich!»
    «Warum haben Sie mir dann nichts von der Cholera gesagt? Die Krankheit geht offenbar schon seit Tagen um, und Sie …»
    «Ach, Blödsinn, von wegen Cholera!», unterbrach ihn der Dottore.
    Der Bürgermeister meinte sich verhört zu haben.
    «Was sagen Sie? Es ist keine Cholera?»
    «Genau das sage ich! Vorsorglich habe ich, bevor ich zu Ihnen gekommen bin, meinen Kollegen Dottor Palumbo geweckt, und der ist aus allen Wolken gefallen.»
    «Wie erklären Sie sich dann, dass Don Anselmo Buttafava …»
    Immer noch rannten Leute an ihnen vorbei. Einer blieb stehen, eine Sense in der Hand.
    «Ihr Reichen lauft nicht weg, was? Euch trifft die Cholera ja nicht, verfluchtes Pack!»
    «Ich bring dich um!», rief der Bürgermeister und zog den Revolver hervor, den er in einem Beutel mitgenommen hatte.
    Eine Frau griff den Mann am Arm und zog ihn mit sich fort.
    «Fang keinen Streit an, Ninù.»
    Der Mann ließ sich fortziehen, schrie aber noch einmal:
    «Verfluchtes Pack!»
    «Ich kann Ihnen erklären, was passiert ist», sagte der Dottore, als der Mann außer Hörweite war, «aber nicht mitten auf der Straße, das möchte ich nicht. Die Angelegenheit ist streng vertraulich.»
    «Lassen Sie uns ins

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