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Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)

Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Die Sekte der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Rathaus gehen.»
    Doch schon nach wenigen Schritten wurden sie von Totò Carruba angehalten, der ein Lebensmittelgeschäft besaß. Der Mann raufte sich verzweifelt die Haare.
    «Sie rauben mich aus! Ich bin ruiniert!»
    «Was ist los, Totò?», fragte der Bürgermeister.
    «Sie haben mir die Ladentür eingetreten! Holen sich alles raus!»
    Sollten schon Plündereien begonnen haben? Calandro entschied schnell.
    «Dottore, die Geschichte von Don Anselmo müssen Sie mir später erzählen. Hier werden die Ordnungskräfte gebraucht! Ich muss sofort zu den Carabinieri laufen.»
    «Signor Barone, bevor wir ins Zimmer meines Neffen gehen, möchte ich Sie daran erinnern, dass Sie mir Ihr Ehrenwort gegeben haben, ihn nicht zu erschießen, bevor ich mit ihm gesprochen habe.»
    «Ich halte mein Ehrenwort.»
    Sie traten ein. Der Junge schlief wie ein Murmeltier. Teresi hielt die Petroleumlampe in der Hand, der Baron den Revolver. Die Nerven des Anwalts waren zum Zerreißen gespannt, denn er war von der Unschuld seines Neffen fest überzeugt und bereit, dem Baron die Lampe an den Kopf zu werfen, sobald dieser Anstalten machte zu schießen.
    Teresi ging auf das Bett zu, Don Fofò blieb, den Vereinbarungen gemäß, die sie nach zweistündigen Verhandlungen im Arbeitszimmer des Anwalts getroffen hatten, an der Türschwelle stehen.
    «Stefano, wach auf!», sagte Teresi, den Jungen an der Schulter rüttelnd.
    Der schlug die Augen auf und schirmte sie sofort mit einem Arm ab, da ihn die Lampe direkt vor seinem Gesicht blendete.
    «Wie viel Uhr ist es denn?», fragte er mit belegter Stimme.
    «Weiß ich nicht. Halb sieben, sieben …»
    «Was ist passiert?»
    Er machte Anstalten aufzustehen. Wäre er wirklich aufgestanden, hätte er den Baron bemerkt.
    «Bleib liegen. Ich muss dich nur etwas fragen.»
    «Fragt.»
    «Schwörst du mir auch, dass du die Wahrheit sagen wirst?»
    «Aber sicher schwöre ich es dir!»
    «Beim Grab deiner Mutter?»
    «Beim Grab meiner Mutter. Was wollt Ihr denn wissen?»
    Der Anwalt schluckte, dann stellte er die Frage mit betont lauter Stimme, damit der Baron ihn hören konnte.
    «Was hast du mit der Tochter von Barone Lo Mascolo gemacht?»
    «Mit Antonietta? Was soll ich denn mit ihr gemacht haben?»
    Der Anwalt bekam es mit der Angst zu tun, denn wenn er jetzt auch nur ein falsches Wort sagte, würde der Baron sich beleidigt fühlen und blindwütig um sich schießen. Aus Angst machte er dann alles nur noch schlimmer.
    «Diese Sache», sagte er.
    Um sich verständlich zu machen, bewegte er die Faust wie einen Kolben vor und zurück.
    «Hast du verstanden?»
    Als Teresi klar wurde, welch eine Geste er soeben unwillkürlich gemacht hatte, schloss er die Augen und wartete auf die Kugel, die ihm den Kopf durchlöchern würde.

VIERTES KAPITEL
    Was Dottor Bellanca
dem Bürgermeister Calandro erzählte
    Die Reaktion des Jungen war unerwartet und heftig. Blitzschnell fuhr seine rechte Hand unter der Bettdecke hervor, und er schlug den Onkel mit aller Kraft auf die linke Wange.
    «Untersteht Euch, so etwas von Antonietta zu behaupten!»
    Er hatte sich im Bett aufgerichtet, vor Empörung am ganzen Leib zitternd und kreidebleich im Gesicht.
    «Vossia, Ihr müsst mir sagen, wer so etwas Unflätiges behauptet, den bringe ich eigenhändig um!»
    Doch dem sonst so redegewandten Anwalt hatte es die Sprache verschlagen. Ungeachtet seiner brennenden Wange nahm er mit größter Freude einen Wesenszug seines Neffen zur Kenntnis, der ihm bis jetzt verborgen geblieben war.
    «Beruhige dich, Stefano!», konnte er nur herausbringen.
    «Nein, ich beruhige mich nicht! Onkel, Ihr müsst mir sagen, wer eine solch niederträchtige Lüge verbreitet!»
    Es gab keinen Grund mehr, weshalb der Baron im Halbdunkel an der Tür stehenbleiben sollte.
    «Signor Barone, wenn Sie jetzt …»
    Keine Antwort.
    «Der Baron ist hier?», fragte Stefano erstaunt.
    Ohne zu antworten, erhob sich der Anwalt, ging aus dem Zimmer und kam gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Don Fofò die Haustür öffnete.
    «Barone!»
    Lo Mascolo wandte sich um, schwieg eine Weile, dann sagte er:
    «Ihr Neffe hat mich überzeugt.»
    Er ging hinaus und schloss die Tür hinter sich.
    Teresi wollte gerade wieder ins Zimmer des Neffen zurückkehren, als er hörte, wie zum zweiten Mal an diesem Tag mit Tritten und Stockschlägen gegen die Tür gehämmert wurde.
    Das konnte niemand anderes sein als der Baron, den offenbar erneut ein Anfall von Wahnsinn gepackt hatte.
    «Jemand

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