Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)
gewonnen! Sehen Sie, dass wir die Leute überzeugt haben?», hielt Capitano Montagnet dem Bürgermeister triumphierend entgegen.
Die Carabinieri hatten nämlich außerordentlich zwingende Argumente eingesetzt: Schläge mit der flachen Spatenseite, Peitschenhiebe und Drohungen mit Arrest, alles Dinge, die seit jeher zur subtilen Überredungskunst der Ordnungskräfte gehören.
«Gestatten? Störe ich?» Dottor Bellanca steckte seinen Kopf durch die Tür zum Zimmer des Bürgermeisters.
«Im Gegenteil, kommen Sie herein!», rief Calandro.
«Ich bin gekommen, um Ihnen darzulegen, weshalb Don Anselmo meiner Meinung nach irregeführt wurde.»
«Sie kommen genau zur rechten Zeit.»
«Warum?»
«Weil ich vermute, dass Capitano Montagnet ihn wegen Störung der öffentlichen Ordnung anzeigen will.»
Bellanca ließ sich einen Fluch entwischen.
«So eine Landplage wie dieser Capitano ist wahrhaftig das letzte, was wir jetzt gebrauchen können!», sagte er.
«Völlig einverstanden», bekräftigte der Bürgermeister. «Sie wollen mir also sagen, dass …»
«Können wir bitte die Tür schließen?»
«Aha, eine heikle Angelegenheit?»
«Äußerst heikel.»
«Ich gehe schließen.»
Bevor Calandro die Tür abschloss, sagte er zum Amtsdiener, der vor gut einer Stunde zusammen mit zwei Gemeindegarden von der Flucht aus Palizzolo zurückgekehrt war:
«Ich bin für niemanden zu sprechen, Pippinè.»
«Auch nicht für den Capitano?»
«Vor allem für den nicht.»
Er setzte sich wieder in den Sessel hinter seinem Schreibtisch und wartete, dass sein Gegenüber sich entschloss, den Mund aufzumachen.
«Ich muss vorausschicken, dass ich in meiner Eigenschaft als Amtsarzt mit dem Bürgermeister spreche.»
«Ja, und? Was soll das bedeuten?»
«Es bedeutet, dass ich Ihnen das, was ich jetzt sagen werde, als einfacher Arzt niemals gesagt hätte. Doch in meiner Eigenschaft als Amtsarzt, also mit einer amtlichen Verantwortung für das, was heute im Ort vorgefallen ist, bin ich gezwungen zu sprechen.»
«Dann sprechen Sie doch, Herrgott noch mal!»
«Vor drei Tagen», hub der Dottore an, «wurde ich dringend ins Haus von Barone Lo Mascolo gerufen, weil seine Tochter Antonietta sich nicht wohlfühlte.»
«Antonietta? Dieses Inbild der Gesundheit? An welcher Krankheit litt sie denn?»
«Wohl eher an zu großer Gesundheit.»
«Ich verstehe nicht.»
«Sie ist schwanger.»
«Schwanger?»
«Seit zwei Monaten.»
«Seit zwei Monaten?»
«Antonietta.»
«Antonietta?»
«Hören Sie, Sie machen mich ganz nervös. Wiederholen Sie doch nicht immer, was ich sage!»
«Weiß man, wer der Vater ist?»
«Antonietta will ihn nicht verraten. Sie glauben gar nicht, was passiert ist, als ich dem Baron und seiner Gemahlin sagen musste, dass ihre Tochter … Ohnmachtsanfälle, Nervenzusammenbrüche, der Baron schien den Verstand verloren zu haben, zerschmetterte Stühle und Vasen, alles, was ihm unter die Finger kam … Am nächsten Tag, das war am Sonntag, musste ich wiederkommen, um dem Baron Beruhigungsmittel und der Baronin anregende Mittel zu verabreichen. Als ich dann aus dem Palazzo kam, stieß ich auf Don Anselmo. Und damit fing das Schlamassel an.»
«Warum?»
«Weil ich Don Anselmo den wahren Grund für meine Visite natürlich nicht nennen konnte. Also habe ich ihm ausweichend geantwortet, und daraus hat er dann eine ansteckende Krankheit gemacht.»
«Nun ja, aber von einer ansteckenden Krankheit bis zur Cholera ist es doch ein gehöriger Schritt!»
«Warten Sie, ich bin noch nicht fertig. Nachdem ich beim Baron war, musste ich sofort wieder in den Palazzo Cammarata eilen.»
«Wieder? Das bedeutet, Sie waren schon einmal dort?»
«Jawohl.»
«Wann?»
«Am Tag zuvor.»
«Warum?»
«Paolina, die älteste Tochter, fühlte sich unwohl.»
Das Gesicht des Dottore verriet dem Bürgermeister alles. Er verstummte, so verblüfft war er. Ein Weilchen stand ihm der Mund offen, dann fragte er:
«Schwanger?»
«Schwanger.»
«Sie auch?»
«Sie auch.»
«Heilige Scheiße!»
«Ich pflichte Ihnen bei», sagte der Dottore.
«Seit wann?»
«Seit zwei Monaten. Exakt genauso wie bei Antonietta.»
«Und auch Paolina will den Vater nicht nennen?»
«Schweigt wie ein Grab.»
«Nun sieh sich einer diese Mädchen an! Erst immer nur Häuslichkeit und Kirche, und dann lassen sie sich massenweise schwängern!»
«Und zu allem Unglück», fuhr der Dottore fort, «hat Don Anselmo mich gesehen, als ich an die Tür vom Palazzo Cammarata
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