Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)
zitterten.
«Niemand sagt, dass du was getan hast.»
«Vossia sind Anwalt?»
«Ja.»
Catarina fing an zu weinen und zu schreien:
«O ich Unglückliche! So ein entsetzlicher Schlag für meine Familie! Jesus, Josef und Maria, habt Erbarmen mit mir! Ach, was für ein Unglück!»
«Warum weinen Sie?»
«Don Anselmo will mich verklagen!»
«Was sind das für Ideen? Warum sollte er dich verklagen?»
«Weil ich nicht auf meine Tochter achtgegeben habe und sie sich hat schwängern lassen!»
«Hör zu, Catarina, Don Anselmo kann dir gar nichts tun, glaub mir. Und ich bin hier nicht als Anwalt, sondern als Freund von Don Anselmo.»
«Wirklich?»
«Wirklich.»
«Nichts Aufgeschriebenes?»
«Nichts.»
Die Frau beruhigte sich ein wenig.
«Was wollen Sie wissen?»
«Ich versuche herauszufinden, wer deine Tochter geschwängert hat.»
«Sie sagt, es war der Heilige Geist.»
«Der Heilige Geist ist ein Geist. Darum hat er keinen Körper, verstehst du? Ich will von dir wissen, was ihr sonntags nach der Messe macht.»
«Wir gehen bei meiner Schwester essen.»
«Und ihr bleibt beide bis um vier Uhr bei deiner Schwester?»
«Manchmal … manchmal …»
Teresi fuhr eine Art elektrischer Schlag durch die Wirbelsäule. Er tat so, als sei er nicht besonders interessiert, zündete sich eine Zigarre an und nahm ein paar Züge.
«Du wolltest sagen, dass manchmal …»
«Manchmal geht sie gleich nach dem Essen in die Kirche zurück. Aber ich hab sie immer begleitet.»
«Und bleibst dort, um auf sie zu warten?»
«Nein. Sie sagt: ‹Mama, komm mich in einer, in anderthalb Stunden abholen.› Und das tu ich.»
Der Anwalt hustete, der Zigarrenrauch war ihm in der Kehle steckengeblieben.
«Sag mal, wenn du sie abholen kommst, sind dann andere Menschen bei ihr?»
«Na ja … manchmal war da ein andres Mädchen.»
«Und Männer?»
«Männer niemals!»
«Und manchmal blieb Totina länger als eine oder anderthalb Stunden in der Kirche?»
«Nein, in der Kirche nicht. Aber das eine Mal, wo es die Freizeit gab, da war sie einen halben Tag lang weg.»
Auf dem Weg zur Station der Carabinieri, wo er mit dem Capitano sprechen wollte, ging ihm der Satz von Rosalia, den ihm der Krankenhausarzt wiedergegeben hatte, nicht aus dem Kopf. Die Buße ist wie die Sünde.
Und auf einmal stand ihm die Bedeutung dieser Worte klar vor Augen, blendete ihn, ja, lähmte ihn, so dass er um Haaresbreite von einer Kutsche überrollt worden wäre. Er kam erst wieder zur Besinnung, als er diese Bedeutung einen Moment lang aus seinem Gedächtnis löschte. Denn er konnte es nicht fassen.
«Falls Sie gekommen sind, um mit mir über Marchese Cammarata zu sprechen, müssten Sie als Anwalt eigentlich genau wissen, dass mir die Angelegenheit nicht mehr obliegt», sagte der Capitano sofort.
«Deswegen bin ich nicht gekommen. Ich danke Ihnen, dass Sie mich empfangen.»
«Worum geht es?»
«Hat man Sie davon benachrichtigt, dass Rosalia Pampina sich heute Morgen bei Tagesanbruch umgebracht hat?»
«Mein Gott, nein!», sagte Montagnet. «Das arme Mädchen!»
Dann warf er Teresi einen scharfen Blick zu.
«Woher wissen Sie denn von dieser unglücklichen jungen Frau?»
«Ich habe eine Indiskretion begangen.»
«Haben Sie den Bericht gelesen, den ich auf dem Schreibtisch liegengelassen hatte?»
«Ja. Ich bin auch Journalist, wussten Sie das?»
«Ich weiß. Ich lese Ihre Artikel, weil ich mich informieren muss.»
«Nur eine Pflichtlektüre?»
Der Capitano tat so, als hätte er nicht gehört, er redete weiter.
«Dieses Mädchen … Rosalia … in der Nacht, als sie aus Angst vor der Cholera weggelaufen war, wurde sie von dem Briganten Salamone entführt und wiederholt vergewaltigt. Tenente Villasevaglios hat sie befreit. Offenbar hat sie es nicht überwunden …»
«Erst», sagte Teresi.
«Entschuldigung, ich verstehe nicht.»
«Erst wurde sie von dem Briganten Salamone vergewaltigt, dann hat sie, weil sie sich schuldig fühlte, darum gebeten, beichten gehen zu dürfen.»
«Ich weiß. Ich habe mit dem Pfarrer gesprochen.»
«Was hat er Ihnen gesagt?»
«Dass sie ankam, als er gerade die Kirche schließen wollte, dass sie darauf bestand zu beichten und gleich darauf fortging. Aber ich weiß, dass sie nicht sofort nach Hause gegangen ist, sie ist erst nach etwa anderthalb Stunden dort angekommen. Die Signora, bei der sie arbeitete, hat mir gesagt, dass sie von diesem Moment an nicht mehr gesprochen hat und weder essen noch trinken wollte. Darum
Weitere Kostenlose Bücher