Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)
und Maresciallo Sciabbarrà kam mit militärischem Gruß herein. Die Fragen stellte ihm nur der Capitano.
«Haben Sie mit Ihrer Frau gesprochen?»
«Jawohl.»
«Was hat Sie Ihnen gesagt?»
«Sie hat von jemandem gehört, weiß aber nicht mehr, von wem, dass es in dem Benediktinerinnenkloster, das seit einem Jahr leersteht, eine Zusammenkunft gegeben hat.»
«War das vor zwei Monaten?»
«Ungefähr.»
«Worum ging es dabei?»
«Es war eine Belohnung für die frömmsten Frauen der Pfarreien.»
«Worin bestand die Belohnung?»
«In einem halben Tag spiritueller Exerzitien, geleitet von den Pfarrern unserer Kirchen.»
«Und die Pfarrer hatten das Kloster eigens für diesen Anlass wieder aufmachen lassen?»
«Jawohl.»
«Können Sie mir noch mehr berichten?»
«Nein.»
«Gestatten Sie mir eine persönliche Frage, Maresciallo.»
«Zu Befehl.»
«Warum wurde Ihre Signora, die meines Wissens doch als eine außerordentlich fromme Frau gilt, nicht eingeladen?»
«Die Zusammenkunft war jungen Frauen von sechzehn bis fünfundzwanzig Jahren vorbehalten, verheirateten und unverheirateten.»
ZEHNTES KAPITEL
Der Anwalt stellt die Falle
Als Teresi die Polizeistation verließ, hatte es schon vor längerer Zeit zur Vesper geläutet. Er nahm den Weg zur Piazza Garibaldi, wo die Kirche San Cono lag. Bei seiner Ankunft fand er die Kirchentür verschlossen. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es fast sieben war. Erst jetzt begann es zu dunkeln. Der Pfarrer, Don Filiberto Cusa, hatte dem Capitano gesagt, dass Rosalia angekommen sei, als er gerade die Kirche abschließen wollte, und dass sie gleich nach der Beichte wieder gegangen sei. Selbst wenn man annahm, dass sie eine halbe Stunde gebraucht hatte, um dem Pfarrer zu erzählen, was der Brigant Salamone ihr angetan hatte, sie war auf jeden Fall aus der Kirche gekommen, als es noch taghell war. Eine böse Begegnung, wie der Capitano sie vermutete, war um diese Zeit schwer vorstellbar. Dies war noch nicht die Stunde der bösen Begegnungen, noch waren Leute auf der Straße, alle, die wegen der Cholera geflohen waren, kehrten um die Zeit gerade zurück, das Haus des Notars Giallonardo lag nicht weiter als fünfzig Meter entfernt, das Lebensmittelgeschäft direkt gegenüber der Kirche war noch geöffnet, und tatsächlich saß da noch ein Mann, vermutlich der Besitzer, auf einem Korbstuhl neben dem Eingang …
Ob er wohl auch an jenem verfluchten Abend dort gesessen hatte, als Rosalia in die Kirche ging? Fragen kostete nichts. Auf dem Schild über dem Laden stand: «Gerardo Pace. Lebensmittel».
«Guten Abend, Signor Pace.»
«Guten Abend», antwortete der Mann verwundert.
Im Laden war niemand. Auf der Theke sah Teresi drei, vier Käselaibe liegen, darunter auch einen Caciocavallo-Käse. Das schien die Spezialität des Hauses zu sein.
«Ich suche einen Caciocavallo aus Ragusa. Ein guter Freund, der Notar Giallonardo, hat mir vor kurzem erzählt, dass ich bei Ihnen vielleicht einen finde.»
Der Mann stand auf. Er war dick und verschwitzt.
«Natürlich habe ich den. Ich bin der einzige im ganzen Ort, bei dem Sie einen Caciocavallo bekommen.»
Er ging in den Laden, gefolgt vom Anwalt.
«Wie viel wollen Sie?»
Man machte ihn sich besser zum Freund.
«Einen ganzen Laib.»
Gerardo Paces Augen leuchteten. Er schien nicht besonders gute Geschäfte zu machen. Es war klar, dass er sich am heutigen Tag mit diesem einzigen Kunden entschädigen würde.
Während der Händler den Käse abwog, grübelte Teresi verzweifelt nach, wie er ein Gespräch anknüpfen konnte. Doch plötzlich stellte Gerardo Pace ihm eine Frage, die ihn erstarren ließ.
«Gibt es Nachrichten von Rosalia?» Ach so, natürlich, er hatte dem Händler ja gesagt, der Notar sei ein guter Freund von ihm … «Ich hab die Kleine sehr gern. Kommt immer bei mir einkaufen. Was sagen die im Krankenhaus?»
«Noch haben sie sich nicht geäußert.»
«Wusste ich’s doch, dass es was Schlimmes war! Ich selbst hab sie zum Notar zurückgebracht, als ich sie aus der Kirche kommen sah.»
«Sie haben das Mädchen aus der Kirchentür kommen sehen?»
«Aus der Tür nicht direkt. Sie kam aus dem kleinen Seitentürchen raus, wo’s zur Sakristei geht. Aber ich hab mich gewundert, sie konnte sich ja nicht mal aufrecht halten! Und sie sprach nicht. Ich frag: ‹Was ist mit dir, Rosalia?› Aber sie blieb stumm! Die Ärmste, sie hat mir so leid getan!»
«Erinnern Sie sich noch, um welche Uhrzeit das war?»
«Könnte
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