Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)
darüber schreiben. Zum Glück erinnerte er sich an den Namen des Mädchens.
«Ich bin Stefano Torrisi», sagte er zu der Ordensschwester hinter dem Empfangstisch am Eingang. «Ich möchte mich nach dem Befinden einer Verwandten erkundigen.»
«Wie heißt sie?»
«Rosalia Pampina.»
Warum wirkte die Schwester plötzlich so verlegen?
«Ich weiß nicht, ob … Gehen Sie bitte erst in den Wartesaal.»
Nachdem er eine Weile gewartet hatte, kam ein Arzt im weißen Kittel herein.
«Signor Torrisi?»
Im Wartesaal saßen drei Männer. Keiner rührte sich.
«Ist Signor Torrisi nicht hier?», fragte der Arzt erneut.
Plötzlich fiel Teresi ein, dass er diesen Namen genannt hatte.
«Bitte entschuldigen Sie», sagte er, während er sich erhob. «Ich war in Gedanken.»
«Kommen Sie mit», sagte der Arzt.
Er brachte ihn in ein Büro, bat ihn, sich zu setzen, und schloss die Tür.
«In welchem Verwandtschaftsverhältnis standen Sie zu Rosalia Pampina?»
Standen? Warum sagte er nicht stehen?
«Ich bin ihr Cousin zweiten Grades. Warum?»
«Weil Rosalia Pampina sich heute Morgen bei Tagesanbruch umgebracht hat. Sie hat sich aus einem Fenster im vierten Stock gestürzt. Mein herzliches Beileid.»
«Aber … wurde sie denn nicht überwacht?»
«Warum hätten wir sie überwachen sollen? Außerdem hatten wir gestern Abend den Eindruck, dass ihr Zustand sich zu bessern begann.»
«Wie äußerte sich das?»
«Sie sprach. Sie sagte einen vollkommen verständlichen Satz, dessen Sinn allerdings dunkel ist.»
«Was hat sie gesagt?», fragte der Anwalt, der aus unerfindlichen Gründen einen Kloß in der Kehle verspürte.
Als wäre Rosalia wirklich mit ihm verwandt gewesen.
«Sie sagte: ‹Die Buße ist wie die Sünde.› Das hat sie zweimal wiederholt. Dann fiel sie wieder in eine katatonische Erstarrung. Wir haben ein Problem, bei dem Sie uns vielleicht helfen können.»
«Gerne.»
«Wir können ihre Familie nicht benachrichtigen, weil wir die Adresse nicht haben. Sie sind aus Palizzolo?»
«Ja.»
«Wenn Sie bitte Dottor Palumbo benachrichtigen würden, dann könnte er sicher …»
«Das werde ich tun.»
Die Buße ist wie die Sünde. Was sollte das bedeuten? Ob er mit Montagnet darüber sprechen sollte? Zu zweit würden sie die Bedeutung des Satzes vielleicht herausfinden.
Er ging bei der Druckerei vorbei, wo die wöchentlich erscheinende Zeitung gedruckt wurde, die er leitete und schrieb.
«Der Leitartikel fehlt noch», sagte der Drucker. «Und wenn Sie ihn mir nicht bis morgen, spätestens übermorgen schicken, erscheinen wir verspätet.»
Teresi fuhr zurück nach Palizzolo, und als er dort ankam, stieß er auf etwa fünfzig Menschen, die noch immer vor der Polizeistation herumstanden.
«Was ist passiert?»
«Marchese Cammarata ist verhaftet worden.»
Danach ging er zu Dottor Palumbo, um ihm vom Tod von Rosalia Pampina zu berichten.
NEUNTES KAPITEL
Was ist in der cavagna?
Der Untersuchungsrichter Artidoro Tommasino kam um sieben Uhr früh in Palizzolo an und nahm mit den Schreibern, die er sich mitgebracht hatte, in einem Zimmer der Polizeistation Platz.
Zuerst sprach er unter vier Augen mit dem Capitano, dann ließ er Luigino Chiarapane mit einer Kutsche holen, verhörte ihn eine Stunde lang und schickte ihn wieder nach Hause.
Danach ließ er Dottor Palumbo holen, damit der Arzt ihm sämtliche Verletzungen zu Protokoll gab, die er am Körper des Jungen gefunden hatte.
Dann wollte er von Stefano einen genauen Bericht darüber, wie sie Luigino in dem Sack gefunden hatten und was sie gemacht hatten, nachdem sie erkannt hatten, dass der Junge noch lebte.
Zuletzt tat er etwas, was niemand erwartet hatte, er schickte nach Teresi.
Als der Anwalt Sciortino, der vor dem Zimmer des Untersuchungsrichters Stellung bezogen hatte, Teresi ankommen sah, beeilte er sich, zusammen mit dem Kollegen einzutreten.
«Wer von Ihnen ist Matteo Teresi?», fragte der Richter.
«Ich», sagte Teresi.
«Und wer sind Sie?»
«Ich bin Avvocato Sciortino, der Verteidiger von Marchese Cammarata. Ich muss förmlichen Protest einlegen.»
«Aha, und warum?»
«Weil Sie sich während des Ermittlungsverfahrens vom Anwalt der Anklage helfen lassen!»
«Schreiben Sie sich hinter die Ohren, dass ich mir von niemandem helfen lasse! Und weiter möchte ich das Verb, das Sie soeben benutzt haben, nicht interpretieren. Ich habe Matteo Teresi nicht als Anwalt der Anklage einberufen, sondern als Zeugen. Das werden Sie zu gegebener Zeit
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