Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)
machte er sich Sorgen wegen der Worte von Barone Piscopo: Sie werden das nächste Opfer sein. Er konnte ja schlecht durch ein Fenster an der Rückseite des Palazzo fliehen, wie er es bei Teresi getan hatte. Also war nichts zu machen.
«Beuge dich, Grashalm, der Sturm wird vorübergehen», ermunterte er sich mit einem Sprichwort. Dann sagte er zu Filippa:
«Führ ihn in mein Arbeitszimmer, nein, lieber in den Salon.»
Im Salon hingen Porträts in Öl von mindestens zwanzig seiner Vorfahren, da würde der Capitano begreifen, mit wem er es zu tun hatte. Don Fofò legte seinen Morgenrock ab, und während er sich ankleidete, kam seine Frau, die Baronessa Marianna, angelaufen.
Schon als sie heirateten, hatte die Baronessa nicht durch Schönheit geglänzt, jetzt, mit dem Alter und dem Kummer um die Tochter Antonietta, war sie geradezu furchterregend hässlich geworden. Sie sah ihn an und begann zu weinen.
«Er wird dich ins Gefängnis bringen! Ich spüre es, dass du diesmal im Gefängnis landest!»
Der Baron versetzte ihr einen leichten Stoß mit der Hand und griff sich mit der anderen fest an die Eier, um Unheil abzuwenden. Dann verließ er das Zimmer, ging die Treppe hinunter und betrat den Salon.
Der Capitano, der stehend die Porträts betrachtete, begrüßte ihn mit militärischem Gruß und reichte ihm ein Blatt Papier. Don Fofò rutschte das Herz in die Hose, das konnte nichts anderes sein als der Haftbefehl. Ihm brach der Schweiß aus, der Salon begann, sich um ihn herum zu drehen.
«Ich habe keine Brille dabei.»
Vor Angst zitterte seine Stimme.
«Soll ich vorlesen?»
«Ja.»
Der Capitano las.
Als er fertig war, hätte der Baron ihn fast umarmt, diesmal ging er nicht ins Gefängnis. Und besonders freute es ihn, dass er wegen seiner Tochter nicht ins Gefängnis musste, dieser verfluchten Hure, die für ihn mal gestorben, mal lebendig, aber auf jeden Fall eine Hure war. Er beschloss, sich aus Gründen der Form ein wenig zu widersetzen, ein Vorhaben, das er schnell wieder aufgeben sollte.
«Wenn ich recht verstanden habe, sind Sie ermächtigt, in Gegenwart der Mutter ein Gespräch mit meiner Tochter Antonietta zu führen.»
«So ist es.»
«Darf ich fragen, warum Sie mit meiner Tochter sprechen wollen? Und warum in Gegenwart der Mutter? Überdies liegt meine Tochter krank zu Bett.»
«Signor Barone, ich hätte auch die Carabinieri schicken können, um Ihre Tochter abzuholen. Aus Respekt vor Ihrem väterlichen Kummer habe ich darauf verzichtet.»
Also wusste der Capitano, dass Antonietta schwanger war! Denn das bedeutete der väterliche Kummer. Dann brauchte er ihm ja auch kein Theater mehr vorzuspielen!
«Ich danke Ihnen für die mir erwiesene Rücksicht, doch Sie haben meine Frage nicht beantwortet.»
«Das tue ich sogleich. Ihre Tochter ist minderjährig, Signor Barone. Ich muss wissen, ob sie das Opfer einer Vergewaltigung war oder ob es mit ihrem Einverständnis geschah. Und eben weil Ihre Tochter minderjährig ist, muss ich sie in Gegenwart der Mutter sprechen.»
Höflich und bestimmt. Wenn es dem Capitano gelang, Antonietta zum Sprechen zu bringen, könnte ihm das obendrein nützlich sein. Er würde den Namen des Liebhabers erfahren.
«In Ordnung», sagte der Baron beim Hinausgehen.
Eine Stunde später klopfte der Capitano an das Tor vom Palazzo Cammarata.
«Hundsfott! Hurensohn! Dreckskerl!», fing die Marchesa an zu schreien, als sie ihn sah.
Die sieben Töchter, einschließlich der jüngsten, die höchstens fünf Jahre alt sein konnte, wiederholten im Chor:
«Hundsfott! Hurensohn! Dreckskerl!»
Und die Dienstmägde echoten aus der Küche:
«…urensohn!»
Zum Glück war Avvocato Sciortino im Haus, der die Situation unter Kontrolle brachte und die Marchesa beruhigte. So konnte der Capitano mit der anderen Minderjährigen sprechen.
Um Punkt fünf Uhr fand Teresi sich im Haus von Don Anselmo ein.
«Catarina ist da.»
«Don Anselmo, ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.»
«Reden Sie.»
«Ich möchte allein mit Catarina sprechen.»
«Und warum darf ich nicht dabei sein?», rief Don Anselmo, prompt aus der Haut fahrend.
«Weil es möglicherweise um Dinge geht, die sie mir in Gegenwart ihres Padrone nicht sagen würde. Tun Sie mir diesen Gefallen in Ihrem eigenen Interesse.»
«Wie Sie wollen. Gehen Sie in mein Arbeitszimmer, ich schicke sie sofort zu Ihnen.»
«Ich hab nichts getan», sagte Catarina schon beim Eintreten.
Sie war zu Tode erschrocken, ihre Hände
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