Die Sextherapie: Roman (German Edition)
geschlagen. Mit so etwas hatte sie nicht gerechnet. Sie hatte eine Schilderung nach dem Motto »Seine Hand liebkoste mein Knie, und dann gingen wir auf einen Schlummertrunk zu ihm« erwartet, nicht »Er fickte mich mit einem Schwanz so lang wie ein Axtstiel, bis ich wundgescheuert war und um Gnade winselte«.
Außerdem war sie von der Intimität und der Offenheit überrascht. Rose hatte ihnen alles anvertraut, und Shelley bewunderte sie für ihren Mut. Sie war selbstbewusst, wortgewandt und hoch intelligent und ließ sich von der Zufallsgemeinschaft, deren Mitglieder sie mit offenem Mund anstarrten, nicht aus der Ruhe bringen.
Vielleicht war es so ja einfacher. Ob es einem wirklich leichter fiel, mit Fremden zu sprechen als mit Menschen, die man kannte? Menschen, mit denen man zusammenarbeiten oder zusammenleben musste?
Fast wünschte Shelley, sie hätte sich als Erste gemeldet. Aber auch nur fast.
Cian brach das Schweigen, indem er Beifall klatschte. Alle stimmten ein und murmelten beifällige Anerkennung. Larry stieß einen lauten Pfiff aus. Rose wirkte ein wenig verlegen und errötete, lächelte aber. Sie hatten diesen Raum als Fremde betreten, aber schon jetzt war zwischen den Kursteilnehmern eine Bindung entstanden. Verity ging zu Rose hinüber, berührte sie an der Schulter und flüsterte ihr etwas zu, das Shelley nicht hören konnte. Rose hob den Kopf und nickte.
Als die Stimmung sich wieder beruhigt hatte, ergriff Verity das Wort. »Wir haben ein wenig überzogen. Eigentlich wäre jetzt eine Pause eingeplant gewesen, doch da es in einer halben Stunde Abendessen gibt, schlage ich vor, dass Sie sich zuerst in Ihren Zimmern einrichten. Hier sind die Schlüssel. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie noch darauf hinweisen, dass wir hier keine Einzelzimmer haben.«
Hier und da wurde nach Luft geschnappt, und Will murrte.
»Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich während des Kurses gegenseitig unterstützen«, fuhr Verity fort. »Behalten Sie einander gut im Auge. Falls jemand in eine Krise gerät, verlange ich, dass sein Zimmergenosse sich um ihn kümmert. Ihre Mitbewohner wurden sorgfältig ausgewählt, sodass jeder das Zimmer mit der Person teilt, die ihm in dieser Hinsicht eine Hilfe sein wird.«
Shelley zuckte die Achseln. Das klang durchaus sinnvoll. Die Anwesenheit einer zweiten Person erschwerte es einem nicht nur, sich hinauszuschleichen und eine arme, ahnungslose Putzfrau zu belästigen. Man wurde außerdem daran gehindert, sich selbst etwas Gutes zu tun. Natürlich wäre der Schuss nach hinten losgegangen, wenn man Cian mit einer der Frauen zusammengelegt hätte, weshalb Larry sein Mitbewohner wurde. Will teilte das Zimmer mit Cliff, Cheryl mit Abigail und Shelley mit Rose.
Sie lächelte ihre neue Zimmergenossin schüchtern an, als sie ihr die Tür aufhielt. Dabei hatte sie eine Heidenangst, dass Rose sie nach ihren Erfahrungen fragen könnte.
»Tut mir leid, dass ich so lange geredet habe«, meinte Rose auf dem Weg die Treppe hinauf. »Seit Jahren schon wollte ich diese Geschichte erzählen. Die Bücher, die ich habe schreiben lassen, handeln ausschließlich von Sex.«
»Nein, ich fand es sehr interessant«, erwiderte Shelley, obwohl sie dachte, dass Roses Vergangenheit wohl kaum als Vorlage für Die Prinzessin auf der Erbse dienen konnte. »Das soll heißen, dass ich sehr bewegt war. Aber Sie machen einen so starken und gefassten Eindruck. Ich wünschte, ich wäre so selbstbewusst wie Sie. Keine Ahnung, wie ich es schaffen soll, wenn ich an der Reihe bin.«
An der Tür ihres Zimmers blieb Rose stehen und sah Shelley lächelnd an. »Wenn Sie möchten, können wir gemeinsam daran arbeiten, falls Sie sich mir anvertrauen wollen.«
»Das ist sehr nett von Ihnen«, antwortete Shelley. »Vielleicht komme ich darauf zurück.«
Das Zimmer war schlicht ausgestattet. Nur zwei Betten, zwei Schränke und ein winziges Bad. Nicht die geringste erotische Ausstrahlung. Die Betten waren so schmal, dass höchstens zwei Size-Zero-Models gemeinsam hineingepasst hätten. Aber die hätten wegen ihrer spitzen Ellbogen wohl die ganze Nacht kein Auge zugetan.
»Stört es Sie, wenn ich zuerst dusche?«, fragte Rose.
»Überhaupt nicht«, antwortete Shelley und betrachtete ihre Tasche, die, offenbar unberührt, auf dem Bett stand. »Ich erledige das nach dem Essen.«
»Spitze«, sagte Rose und schlüpfte mit einer geschickten Bewegung aus ihrem Oberteil. Shelley konnte nicht anders als hinzustarren. Die Hälfte
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