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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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paar lauwarme, milchige Schlucke herunter, die nach Kreide
     schmeckten. »Vielleicht können Sie uns mehr von Ihrem Treffen
     mit Professor Howard heute Nachmittag berichten«, sagte Sinclair.
    Mit seiner schwarzen Hose und
     dem weiten schwarzen Jackett über einem saphirblauen T-Shirt wäre
     er in Boston wie ein Geck aus der Menge gestochen, doch für London
     war er gerade hip genug, um nicht aufzufallen. Er machte den Eindruck
     eines hellen Burschen, der sein Licht sorgfältig beschirmte. Dieser
     Mann würde sich nicht leicht an der Nase herumführen lassen,
     dachte ich, und wahrscheinlich war es gefährlich, es zu versuchen.
    Es war dumm von mir gewesen,
     ihn zu weiteren Fragen zu drängen. Jetzt stand ich mit gemischten Gefühlen
     vor ihm. »Wo soll ich anfangen?«
    »Am besten, Sie fangen
     mit dem Anfang an.«

 
    5
    Früher am Tag hatte ich
     lachend im Schatten der unteren Galerie gestanden. »Ihr müsst
     an Stephen King denken, Leute«, hatte ich gerufen, »nicht an
     Steve McQueen. Es ist eine Geistergeschichte, keine Gangstergeschichte,
     Herrgott noch mal.«
    Oben auf der Bühne
     brachen die Schauspieler ab. Jason Pierce, der Actionfilmstar aus
     Australien, der mit der Rolle des Hamlet seine schauspielerischen Fähigkeiten
     unter Beweis stellen wollte, wischte sich den Schweiß von der Stirn.
     »Bei dieser gottverdammten Sonne?«          
    Er hatte nicht ganz unrecht.
     Im grellen Licht des Sommertags, der mehr tropisch als englisch war,
     wirkte die rot und gold aufgeputzte Bühne so schamlos wie ein
     viktorianisches Bordell.
    »Welche Sonne?«,
     fragte ich zurück. Die Köpfe drehten sich zu meinem Platz im
     Schatten der Galerie. »Wir befinden uns hier auf den vom Regen
     gepeitschten Zinnen von Helsingor, Mr Pierce. Sie blicken hinaus über
     die Schneefelder und die vereiste Meerenge in Richtung Ihres Feindes
     Schweden. Es ist Mitternacht.« Ich stand von meinem Tisch auf und
     kam mit drei dumpfen Schritten in den Hof hinunter. »Zur gleichen
     Stunde ist in den vergangenen Nächten ein Geist erschienen und hat
     eine Horde kampferprobter Männer das Fürchten gelehrt. Und egal
     was die Krieger gesehen haben - Trugbild oder Dämon Ihr bester Freund
     hat Ihnen eben mitgeteilt, dass der Geist aussieht wie Ihr toter Vater.«
     Ich blieb am Fuß der Treppe stehen, stemmte die Hände in die Hüften
     und sah zu Jason hinauf. »Und das verkaufen Sie mir jetzt bitte.«
    Rechts am Bühnenrand räkelte
     sich Sir Henry auf seinem Thron, wo er ein Nickerchen gemacht hatte.
     »Oho«, murmelte er, »eine Herausforderung.«
    Jasons Blick wanderte von Sir
     Henry zurück zu mir, und ein verschlagenes Lächeln huschte
     über seine Lippen. »Versuchen Sie es«, sagte er und
     rammte mit beiden Händen das Schwert in die Bühnenbretter.
    »Ich schließe
     mich der Herausforderung an«, rief Sir Henry mit unverhohlenem Entzücken.
    Als Regisseur die Rolle des
     Schauspielers durchzuspielen war eine der Todsünden am Theater; und
     ich war alt genug zu wissen, dass ich die Herausforderung ignorieren
     sollte. Andererseits war ich jung genug zu denken: Das könnte lustig
     werden.
    Ich kannte die Szene in- und
     auswendig. Ich hätte jeden Schritt im Schlaf durchgehen können.
     Der Geist in der Rüstung von Hamlets Vater lockt den Prinzen von
     seinem Freund Horatio fort und verwickelt ihn in eine wilde Jagd über
     die vereisten Mauern der Burg bis an den Eingang des Höllenschlunds.
     Ich hatte eine atemberaubende Verfolgungsjagd durch das ganze Theater
     inszeniert: über die Bühne und den Balkon darüber, quer
     durch den Hof und alle drei Ränge hinauf bis auf das spitze Bühnendach.
    Zumindest hätte die Jagd
     atemberaubend werden können, wenn Jason sich die Mühe gemacht hätte,
     seine Rolle ernst zu nehmen. Der Grund, warum ich die Rolle mit ihm
     besetzt hatte, war - neben der Tatsache, dass sein Name garantierte, dass
     die ganze Spielzeit nach vier Minuten ausverkauft wäre - sein
     seltenes Talent, brodelnden Zorn und melancholischen Charme zu verbinden.
     Leider hatte er in den letzten Wochen kaum seinen Text gelesen und sich
     stattdessen ununterbrochen über seine Rolle, das Stück und
     Shakespeare im Allgemeinen lustig gemacht. Wenn Jason nicht bald etwas
     hervorbrachte, das halbwegs den Anschein von Emotion erweckte, würde
     das ganze Stück zur Parodie verkommen.
    Während ich über
     den Hof und die kurze Treppe zur Bühne hinaufmarschierte, band ich
     mir

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