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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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die Sache
     sofort der Polizei übergeben. Natürlich. Aber noch nicht gleich.
    Ich zog meine und Sir Henrys
     Jacke enger um die Schultern und verbarg meine Lüge hinter einer dünnen
     Wahrheit. »Sie wollte mir heute Abend mehr erzählen. Sie hat
     mich gebeten, mich mit ihr auf dem Parliament Hill zu treffen, doch sie
     kam nicht… Als ich von dort oben den Rauch sah, bin ich so schnell
     wie möglich hergekommen.«
    Sinclairs Blick verfinsterte
     sich. »Professor Howard hat Ihnen erzählt, sie hätte etwas
     entdeckt, und Sie haben keine Ahnung, was -aber Sie glauben, es könnte
     mit ihrem Tod in Verbindung stehen?«
    »Das ist völlig
     absurd«, platzte Cyril heraus.
    »Halt den Mund«,
     zischte Sir Henry.
    Ich hielt Sinclairs Blick
     stand. »Vielleicht.«
    Er sah in seine Unterlagen.
     »Sie war Literaturprofessorin, nicht wahr? Es geht also nicht um
     Biotechnologie oder Atomphysik.«
    »Das stimmt.«
    Er schüttelte den Kopf.
     »Es tut mir leid, aber egal was Professor Howard entdeckt hat, es
     wird wohl kaum zu einem Motiv für einen Mord reichen.«
    »Alle Tage werden
     Menschen wegen einer Handvoll Dollars oder einer Radkappe umgebracht«,
     entgegnete ich.
    »In den Staaten, Ms
     Stanley. Nicht in Southwark.«
    »Und nicht im Globe«,
     sagte Cyril empört.
    »Das Globe ist schon
     einmal abgebrannt«, gab ich zurück.
    »Das ist lange her«,
     sagte der Inspektor.
    »Es war 1613. Am 29.
     Juni.«
    Sinclair sah auf.
    »Am Dienstag, den 29.
     Juni«, präzisierte ich.
    Es entstand eine Pause.
     »Heute ist Dienstag, der 29. Juni«, murmelte Sir Henry
     gepresst.
    In den Augen des Inspektors
     flackerte etwas auf, doch er hatte sich schnell wieder gefasst. »Falls
     es korrekt ist, werden wir das Datum in die Ermittlungen der Brandstiftung
     einbeziehen.«
    »Es geht nicht nur um
     den Brand«, beharrte ich. »Auch damals konnten alle bis auf
     eine Person gerettet werden.«
    Sinclair ließ das
     Klemmbrett sinken. In seinem Blick las ich Mitgefühl und
     Betroffenheit. »Ms Stanley, Sie stehen wahrscheinlich unter Schock.
     Sie sollten nach Hause gehen und etwas schlafen.« Dann nickte er Sir
     Henry zu und ging zurück zu dem gespenstischen weißen Zelt.
     Cyril eilte hinter ihm her.
    Ich machte mich aus Sir
     Henrys Umarmung los und stand auf. Ich wollte Ros’ Geschenk nicht
     aus den Händen geben, doch ich konnte nicht zulassen, dass die
     Polizei ihren Tod als irgendein Organversagen abtat, dessen Umstände
     zwar kurios, dessen Gründe jedoch völlig bedeutungslos waren.
     Meine Stimme überschlug sich, als ich ihm hinterherrief. »Sie
     haben eine Leiche.« 
    Sinclair blieb in der Mitte
     des Hofs stehen. Im Wasser zu seinen Füßen spiegelten sich die
     Lichter. »Eine Leiche heißt nicht, dass wir einen Mord haben.
     Falls es eine Spur gibt - sei sie noch so klein -, dann finden wir sie,
     verlassen Sie sich darauf.«
    Sir Henry führte mich
     die Stufen hinunter in den Hof. Sinclair war mit uns fertig, und damit war
     der Weg frei für all die anderen, die mit uns sprechen wollten. Von
     allen Seiten stürzten sie heran, schreiend und schubsend wie eine
     Schar aufgeregter Raben. Der Brandmeister war zuerst da und wollte uns mit
     weiteren Details versorgen. Das Feuer sei im Verwaltungsgebäude
     ausgebrochen, erklärte er. Sie hatten das Globe nur retten können,
     indem sie die Dächer der Nebengebäude implodieren ließen
     und das Strohdach mit Wasser tränkten.
    Ich hörte kaum zu. Ros
     war tot, ich hatte die Polizei belogen, und alles, was ich wollte, war,
     von hier wegzukommen, mich zu verkriechen und endlich Ros’
     verfluchte Schachtel auszupacken. Anscheinend war mir die wachsende
     Hysterie anzusehen, denn Sir Henry nahm mich zur Seite und rettete mich
     vor der Menge. Wir waren schon beinahe am Ausgang, als sich der Lärm
     legte und jemand meinen Namen rief. Ohne zu reagieren, ging ich
     schneller, doch an der Tür stellten sich uns zwei Männer in den
     neongelben Westen der Metropolitan Police in den Weg und zwangen mich,
     stehen zu bleiben.
    DCI Sinclair stand am anderen
     Ende des Foyers. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte er,
     »ich hätte doch noch ein paar Fragen, bevor Sie gehen.«
     Sein Ton war freundlich, unverbindlich, aber es war keine Bitte. Es war
     ein Befehl.
    Widerwillig folgten Sir Henry
     und ich ihm zurück ins Theater in eine der unteren Galerien neben der
     Bühne, wo uns ein Praktikant mit Tee in Styroporbechern erwartete.
     Ich zwang ein

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