Die Shakespeare-Morde
sich der Nebel, und aus den Schwaden tauchte ein Brandmeister
auf, mit rotem Helm und einer schweren blauen Jacke mit reflektierenden
Streifen. »Ganz so schlimm ist es nicht«, brummte er, »aber
ich kann auch nicht behaupten, dass es gute Nachrichten sind. Kommen Sie
mit und sehen Sie selbst.«
Eilig folgten wir ihm am Ufer
entlang. Meine Gedanken wanderten durch die Dunkelheit zum Theater hinauf.
Die Planer des neuen Globe hatten sich so weit wie möglich an
Shakespeares Original gehalten. Sie hatten das Theater buchstäblich
um die Bühne herum gebaut - eine große überdachte
Plattform am Ende eines achteckigen Hofes unter freiem Himmel. Rings um
den Hof erhoben sich die Ränge wie ein enges dreistöckiges
Puppenhaus. Jedes Stockwerk war mit mehreren Reihen blanker Eichenbänke
ausgestattet, von denen man über die Balustrade in den Hof und auf
die Bühne blickte.
Das ganze Bauwerk war von
einer Schlichtheit, die die Shaker gutgeheißen hätten - bis auf
die Bühne. Dort war jeder Zentimeter Holz und Putz aufwendig bemalt,
um Marmor, Jaspis und Porphyr vorzutäuschen, und mit geschnitzten
Karyatiden und vergoldeten Atlanten verziert. Ein baldachinartiges Dach,
dessen Himmel mit Sternen bemalt war, schützte die Schauspieler vor
Sonne und Regen. In der nordischen Mythologie wurde das Himmelsgewölbe
von einer Esche getragen, und aus irgendeinem Grund gefiel mir der
Gedanke, dass Shakespeares Himmel auf den Stämmen von zwei massiven
englischen Eichen ruhte. Nicht dass sie als Eichen zu erkennen wären.
Wie roter Marmor bemalt und verziert mit prächtigen Kapitellen
erinnerten die »Säulen des Herakles« eher an einen der
Tempel von Persepolis, bevor Alexander der Große die Stadt in Schutt
und Asche legte.
Was hatte das Feuer vom Globe
übrig gelassen?
Wir passierten ein Labyrinth
von Polizeiabsperrungen und Notzelten und standen plötzlich vor einer
großen Flügeltür. Ich runzelte die Stirn. Sie sah aus wie
der Haupteingang des Theaters. »Alles andere mussten wir opfern«,
erklärte der Brandmeister und strich zärtlich über den Türstock.
»Verwaltung, Kasse, Cafeteria - das ganze Drum und Dran.« Dann
sah er uns an, und in seinem roten, erschöpften Gesicht strahlte ein
Anflug von Stolz. »Aber ich glaube, wir haben das Globe gerettet.«
Gerettet?
Der Brandmeister zog die Tür
einen Spalt auf, gerade weit genug, um uns nacheinander hineinzulassen.
Dann nickte er mir zu.
»Nur Mut«, sagte
Sir Henry und drückte meine Schulter. Ich schob mich durch den Spalt
und trat vorsichtig durch das Foyer in den Hof wo ich wie versteinert
stehen blieb. Ich hatte damit gerechnet, alles in Trümmern zu sehen,
doch was vor mir lag, war von überirdischer Schönheit.
Rauchfahnen kräuselten
sich über der Bühne wie Luftschlangen. Die Säulen des
Herakles glänzten schwarz von Ruß. Am Boden stand Wasser, eine
schimmernde, spiegelglatte Fläche. Am Himmel über dem Hof
funkelten die Sterne, als würde es glitzernde Blüten regnen. Das
Theater war alles andere als eine Ruine. Es hatte sich in den
unheimlichen, majestätischen Tempel einer dunklen Gottheit
verwandelt. In einen Ort, wo Druiden und Geister verkehrten und Blutopfer
dargebracht wurden. Durch die Luft schwebte ein Stück glimmendes
Papier, und ich fing es auf - es war die halb verbrannte Seite eines
Regiebuchs. Kein gutes Zeichen. Hastig stieg ich die Stufen zur unteren
Galerie hinauf, wo ich meinen Arbeitsplatz hatte. Der Schreibtisch war
umgefallen, und meine Bücher und Aufzeichnungen lagen am Boden
verstreut. Irgendwie musste ein Funke hereingelangt sein, denn sie waren
zur Hälfte verbrannt. Der Ordner mit dem Regiebuch lag offen da, die
Ringe waren aufgesprengt. Die Seiten waren herausgefallen, durch die Luft
gewirbelt und im Wasser gelandet. Hastig kniete ich mich hin und begann zu
retten, was sich retten ließ. Weitere Papiere waren hinter den Tisch
gerutscht. Auf allen vieren kroch ich hinterher, doch dann hielt ich inne
und schnappte nach Luft.
Am Boden lag ein
breitkrempiger Hut mit dunkelroten Pfingstrosen, die auf der weißen
Krempe wie Blut wirkten. Ein Stück weiter, auf einer der Zuschauerbänke
zusammengerollt, lag eine Frau. Sie sah aus, als schliefe sie, doch ihre
Augen waren offen. Der Blick einer Statue, leer und intensiv zugleich, nur
dass ihre Augen nicht aus Marmor waren. Sie waren
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