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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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ich ließ mich fallen.
    Drei Meter weiter unten
     landete ich hart auf dem Boden und krabbelte auf allen vieren auf das
     Schwert zu, das in der Mitte des Hofs lag.
    Jason sprang hinterher.
     Endlich erreichte ich mein Schwert und wirbelte herum.
    Jason blieb abrupt stehen. Er
     keuchte. Meine Klinge war nur eine Handbreit von seinem Bauch entfernt.
     »Bei Ihnen sind wohl ein paar Kängurus ausgerissen.«
    »Was soll das heißen?«
     Mir klebte das Hemd an den Schulterblättern, meine Hose war am Knie
     aufgerissen, und wahrscheinlich war mein Gesicht voll Staub.
    »Australisch für
     ›völlig durchgeknallt‹«, brüllte er, »Sie
     haben nicht alle Tassen im Schrank, Kate Stanley. Ihnen macht es
     vielleicht Spaß, sich im freien Fall von Gebäuden zu stürzen,
     verdammte Scheiße, aber erwarten Sie im Ernst von mir, dass ich nach
     so einem Stunt die Sein-oder-Nichtsein-Nummer abziehe?«
    Ich zog mein Schwert zurück.
     »Jetzt sind Sie Hamlet«, sagte ich lächelnd.
    Er ballte die Fäuste und
     öffnete sie wieder. Den Bruchteil einer Sekunde dachte ich, er würde
     sich auf mich stürzen. Dann blickte er über meine Schulter, und
     sein Ausdruck veränderte sich.
    Ich drehte mich um. In der
     hinteren Ecke des Bühnenbalkons stand Sir Henry, das nackte Schwert
     in der gerüsteten Faust, den anderen Arm ausgestreckt, und winkte
     lockend. Endlich schlüpfte Jason mit Wutgebrüll in seine Rolle,
     rannte über den Hof und kletterte die verborgene Leiter neben der Bühne
     hinauf. Als ich mich nach ihm über das Geländer schwang,
     stampfte Jason bereits über den Balkon und trieb Sir Henry in den
     Schatten auf der anderen Seite. Ich klopfte mir den Staub von der Hose,
     dann folgte ich ihnen. Auf halbem Weg stutzte ich - war da etwas gewesen?
     Ein Geräusch? Ein Geruch? Ich würde es nie erfahren.
    Hinter mir trat eine dunkle
     Gestalt von der Seitenbühne. Verwirrt drehte ich mich um. »Gedenke
     mein«, flüsterte eine Stimme wie raschelndes Laub. Selbst wenn
     Jason ihn jagte, wie hatte Sir Henry so schnell durch das Labyrinth hinter
     der Bühne von einer Seite zur anderen kommen können? 
    Dann hob die Gestalt die
     blasse Hand und schob die Kapuze zurück. Es war nicht Sir Henry.
    Es war Ros. »Wie muss
     Shakespeare sich anfühlen?«, flüsterte sie. »Gefährlich?«
    Auf der anderen Seite des
     Balkons traten Sir Henry und Jason zurück auf die Bühne. »Auftritt
     Rosalind Howard, Harvards Shakespeare-Professorin«, erklärte
     Sir Henry dem Ensemble, das sich unten versammelt hatte. »Allgemein
     bekannt als die Königin des Barden.«
    »Die Königin der
     Verdammten«, zischte ich.
    Ros brach in tiefes, kehliges
     Lachen aus und ließ den Umhang zu Boden gleiten. Dann schloss sie
     mich überschwänglich in die Arme. »Nenn mich den Geist der
     vergangenen Weihnacht, Schätzchen. Ich habe Geschenke dabei.«
    »Das hatten die
     Griechen auch«, knurrte ich, steif in ihren Armen. »Und du weißt,
     welche Freude sie den Trojanern damit machten.«          
    Wie eine Welle, die zurückbrandet,
     ließ sie mich los. Dann sah sie sich bewundernd im Theater um.
     »Ein Mordsbüro hast du hier.«
    »Und du hattest einen
     Mordsauftritt«, sagte ich. »Sogar für deine Verhältnisse.«
    »Das war nötig.«
     Sie zuckte die Achseln. »Ich dachte mir, dass ich in aller Öffentlichkeit
     zu dir kommen muss, sonst hättest du mich und mein Geschenk einfach
     rausgeschmissen.«
    »Das kann ich immer
     noch.«
    *
    »Ein Geschenk?«
    Ich blinzelte. »Das hat
     sie gesagt«, antwortete ich abwehrend und verfluchte mich innerlich.
    »Ms Stanley, egal ob
     Professor Howard Ihnen verriet, was sie entdeckt hatte oder nicht, Sie müssen
     doch eine Ahnung haben, worum es sich handelte?«
    Einen Moment lang spürte
     ich die Versuchung, die Schachtel aus der Tasche zu ziehen und sie und
     alles, was damit - und mit Ros - zusammenhing, der Polizei zu überlassen.
    »Tut mir leid«,
     antwortete ich stattdessen. »Ich weiß es nicht.« In
     gewisser Hinsicht sagte ich die Wahrheit; ich hatte keine Ahnung, was sich
     in der Schachtel befand. Weil Sinclair mich nicht eine Minute allein ließ,
     damit ich sie öffnen konnte.
    Er seufzte. »Ich bitte
     Sie, offen mit uns zu sein, Ms Stanley. Vielleicht hilft es Ihnen, wenn
     ich offen zu Ihnen bin.« Er glättete eine Falte in seiner Hose.
     »Wir haben ein Einstichloch gefunden.«
    Ein Einstichloch?
    »Unsinn«, empörte
     sich Sir Henry. »Ros nahm keine

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