Die sieben Dämonen: Roman
Stimme.
»Nun«, Marks Mund war ungewöhnlich trocken, »es ist wirklich eine Grabkammer …«
»Gibt es da drin einen Sarkophag?« wollte Halstead wissen.
Mark holte tief Luft. »Ja …«
Alle wichen zurück und wechselten nervöse Blicke. Mark und Ron drangen mit ihren Taschenlampen in die Grabkammer ein. Nachdem sie rasch die kahlen Wände, den glatten Boden und die rauhe Decke abgeleuchtet hatten, sahen sich die beiden Ägyptologen im schwachen Lichtschein an.
»Das ist alles«, murmelte Mark. »Keine weiteren Räume. Nur das hier. Wir sind am Ende angelangt.«
»Und hier ist nichts.«
»Nein«, bestätigte Mark, »nur diese beiden hier.« Und er richtete den Strahl seiner Taschenlampe auf die beiden massiven Granitsarkophage, die in der Mitte des Raumes standen.
Sie hatten im Grab keine Inschriften entdeckt, die den Namen des Verstorbenen offenbarten, und auch auf den Steinsärgen war nichts vermerkt, was Aufschluß darüber gegeben hätte, wer – oder was – dort drin lag. Mark und Ron waren nicht imstande gewesen, die schweren Sargdeckel alleine zu heben. So waren die sieben in düsterer Stimmung ins Camp zurückgekehrt, und keinem gelang es, den eisigen Schrecken abzuschütteln, der ihnen beim Anblick der Wächtergötter in die Glieder gefahren war. Jetzt, vier Stunden später, lag das Camp dunkel und ruhig da. Hasim dämmerte unruhig vor sich hin, in einem durch Beruhigungsmittel erzeugten Halbschlaf. Halstead stöhnte auf seinem Bett und hielt sich einen Eisbeutel an die Nase. Alexis lag in tiefem, traumlosem Schlummer. Sie atmete kaum, und
ihr Gesicht strahlte eine totenähnliche Ruhe aus. Abdul kniete auf dem Gebetsteppich neben seinem Feldbett und richtete einen feierlich-monotonen Sprechgesang gen Mekka. Jasmina lag zusammengekrümmt auf der Seite und blinzelte ins Dunkel. Nur die beiden Ägyptologen waren noch auf den Beinen: Ron in seiner Dunkelkammer, Mark auf einem Spaziergang durch die Sandhügel jenseits des beleuchteten Camps. Er fröstelte und vergrub die Hände in den Taschen seiner Windjacke. In all den Monaten, die er in Ägypten verbracht hatte, war keine Nacht auch nur annähernd so kalt gewesen wie diese. Die Nächte schienen immer kälter geworden zu sein, als habe sich ein Gletscher auf das Land herabgesenkt. Er ließ den Blick über die dunklen, verlassenen Ruinen der Arbeitersiedlung schweifen. Die Fellachen waren alle fort, keiner war geblieben. Mark lenkte seine Gedanken auf die Sarkophage, deren Granitdeckel sich keinen Millimeter bewegt hatten, als er und Ron mit vereinten Kräften dagegendrückten. Man müßte prüfen, welche Werkzeuge zu ihrer Entfernung benötigt wurden. Wenn Hasim am nächsten Morgen mit Kairo telefonierte, würde Mark um ein Hebegerät bitten …
»Davison …«
Er blieb unvermittelt stehen. Nofretete erschien plötzlich vor ihm.
»Ihr habt ihn gefunden«, sagte sie. »Nun müßt Ihr ihm Leben einhauchen.«
»Ich habe zwei Särge gefunden.«
»Ja, mein Lieber.«
»Wer liegt in dem anderen?«
Ihre Augen wurden traurig; sie streckte ihre Hände aus.
»Wißt Ihr das nicht? Ich bin es, Davison. Ich liege in dem anderen Sarg.«
Mark preßte eine Faust an seine pochende Schläfe. »Das ist Wahnsinn!«
»Davison, Ihr müßt mir zuhören! Ich muß es Euch begreiflich machen. Ich bitte Euch, hört mich zu Ende an …«
Er ließ seine Hand sinken und sah sie verwirrt an. »Es gibt keine Kartuschen im Grab, keine Inschriften, keine Kanopen. In den vier Haupthimmelsrichtungen befinden sich keine Amulettziegel. Das verstehe ich nicht.«
»Habt Erbarmen mit uns, Davison! Sucht in Eurem Herzen nach der
Quelle der Barmherzigkeit und des Mitgefühls! Ihr müßt uns befreien!«
»Befreien wovon?«
Sie sprach hastig und flehentlich. »Die Särge sind unsere Gefängnisse. Die Priester bestatteten uns ohne Identität. Sie verurteilten uns zu ewiger Bewußtlosigkeit, zu einem Tod, der kein Tod ist. Wir schlafen beide namenlos, aber ich besitze mein Erinnerungsvermögen, mein Geliebter nicht. Er schlummert in einem Dämmerschlaf, in dem ich ihn nicht erreichen und er mich nicht hören kann. Seht, ich habe in diesen Tausenden von Jahren ständig versucht, ihn zu wecken, doch es kann nicht durch mich geschehen.«
»Wie kommt es, daß Euer Geist frei umherwandert?«
»Ich weiß es nicht, Davison. Ich bin aufgewacht, das ist alles …«
»Dann könnt Ihr doch fortgehen. Ihr könnt diesen Ort verlassen und zur Sonne fliegen …«
»Ich kann nicht!«
Weitere Kostenlose Bücher