Die sieben Dämonen: Roman
hören, während er um das Camp herum drei Kameras in schrägem Winkel zueinander auf Stative montierte. An den Verschlußkabeln befestigte er dünne Drähte, die er zwischen den Zelten verlegte. Hin und wieder löste er versehentlich ein Blitzlicht aus und schimpfte leise vor sich hin.
»Wenn Sie solche Angst haben«, fragte Mark, »warum wollen Sie dann bleiben?«
Jasmina öffnete den Mund, wandte dann aber den Kopf ab. Mark streichelte die kleine Hand, die unter seiner lag, und staunte über die Gefühle, die plötzlich in ihm aufwallten. Mit Nancy war es niemals so
gewesen, nicht einmal ganz am Anfang. Nancy war zu einer Zeit in sein Leben getreten, als er niemanden hatte, weder Freunde noch Familie. Damals stand er gerade am Ende seiner Studienjahre, die von Verzicht und Selbstverleugnung geprägt gewesen waren. Da er neben dem Studium Geld verdienen mußte, hatte er für Freizeitaktivitäten, Freundinnen oder auch nur flüchtige Bekanntschaften kaum Zeit gehabt. Erst als er seinen Doktortitel erlangt hatte und ein Angebot erhielt, nach Assuan zu gehen, hatte Mark sich bereit gefühlt, sein Leben mit einer Frau zu teilen. Er fragte sich jetzt, als er über die Anziehungskraft staunte, die diese bemerkenswerte Frau auf ihn ausübte, ob er es damals mit irgendeiner Frau geteilt hätte – wenn nicht mit Nancy, dann mit einer anderen – und ob er es dann ebenfalls Liebe genannt hätte.
»Wissen Sie, Mark«, murmelte sie mit noch immer abgewandtem Blick, »als ich Sie das erste Mal traf, haßte ich Sie. Ich dachte, Sie seien wie all die anderen, die in mein Land kommen, die Fellachen ausbeuten und sie behandeln wie Tiere.« Sie sah ihn an, Tränen standen ihr in den Augen. »Aber Sie waren ganz anders. Sie waren freundlich zu den Arbeitern und behandelten sie wie Menschen. Und dann entdeckte ich, wieviel Liebe Sie der Vergangenheit unseres Landes entgegenbringen, wie sehr Sie unser kulturelles Erbe schätzen und daß Sie nicht an einen wie Domenikos verkaufen würden, was rechtmäßig Ägypten gehört. Mein Haß begann zu schwinden, in Bewunderung umzuschlagen und dann …«
»Und was dann?«
»Ich kann es nicht aussprechen, Mark. Selbst wenn ich es fühle, kann ich es nicht aussprechen.«
Er legte seinen Arm um ihre Schulter und zog sie an sich. »Dann werde ich es Ihnen sagen …«
»Nein, bitte nicht, Mark. Ich bin eine Fellachin! Die Welten, aus denen wir beide kommen, liegen unendlich weit auseinander. Wir unterscheiden uns in Religion und Tradition, in Sitten und Gebräuchen. Sie fragten mich einmal, warum ich mich im Speisezelt weiterhin von den Männern absondere, obwohl ich für die Emanzipation der ägyptischen Frauen kämpfe. Ich kann einfach nicht anders! Obwohl mein Verstand sich nach Gleichberechtigung sehnt, bin ich im Grunde Fellachin geblieben. Ich bin zutiefst von den alten Verhaltensmustern durchdrungen, Mark. Ich bin in Traditionen gefangen!«
Eine Träne rann ihre Wange herab. »Vielleicht werde ich mich nie ändern, Mark, nicht im Herzen, nicht genug, um einen Mann, der für mich so fremdartig ist wie Sie, unbefangen lieben zu können. Ich werde schon genug Schwierigkeiten mit einem Mann aus meiner eigenen Kultur haben. Ich kann nicht gegen althergebrachte Sitten verstoßen!«
Mark sah sie verständnisvoll an. Er wußte nur zu gut, wovon sie sprach. In Kairo hatte er viele ägyptische Freunde, allesamt jung, gebildet und fortschrittlich eingestellt. Doch bei gesellschaftlichen Anlässen zeigte sich, wie tief sie trotz alledem in der Tradition verwurzelt waren, denn wenn die Männer bei ihrem starken Kaffee im Wohnzimmer saßen, zogen sich die Frauen in die Küche zurück. Einmal hatte Mark versucht, die Frauen dazu zu bewegen, sich zu ihnen zu gesellen – Frauen, die an der Kairoer Universität Recht, Medizin oder Wirtschaftswissenschaften studierten –, doch sie hatten seinen Vorschlag entsetzt zurückgewiesen.
Sanft legte er eine Hand auf ihre Wange und schaute ihr in die Augen.
»Wir können die alten Sitten ändern, Jasmina.«
»Nein!« schluchzte sie. »Das ist unmöglich! Sie haben gesehen, wie Abdul uns anschaut, wenn wir zusammen sind. Sosehr er Sie auch bewundert, Mark, er mißbilligt jeden Kontakt zwischen uns.«
»Liebst du mich?«
»Ich kann nicht …«
»Liebst du mich?« Er faßte sie an den Schultern. »Sag es mir, Jasmina, sag es mir!«
Tränen traten ihr in die Augen und rannen an ihren Wangen herunter, und sie ließ ihnen freien Lauf. »Mark, ich bin keine
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