Die sieben Dämonen: Roman
Fliegerbrille saß Alexis Halstead in gelassenem Schweigen neben Mark. Rote Haarsträhnen lösten sich wie Feuerstrahlen aus ihrem Kopftuch und peitschten ihr ins Gesicht. Auf dem Rücksitz bemühte sich Ron, Stativ und Kameras vor den Er
schütterungen zu bewahren, was ihm jedoch nicht gelang, denn bei jedem Ruck wurde er von seinem Sitz hochgerissen. Hinter ihnen, im zweiten Wagen, klammerten sich Jasmina und Hasim blaß vor Schrecken ans Armaturenbrett.
Das Wadi, das an seiner Mündung zur Ebene noch weit und flach war, verengte sich allmählich zu einer tief ins Plateau eingeschnittenen Spalte, die nach sechs Kilometern zum Eingang des Königsgrabes führte. Als sie sich ihm näherten, hob Mark die Hand und bedeutete seinem eigenen Fahrer und dem Fahrer dahinter, anzuhalten. Er faßte nach der Stange über der Windschutzscheibe und zog sich daran hoch, um sich einen Überblick über das Gelände zu verschaffen. Als der Staub sich gelegt hatte, sprang er aus dem Wagen. Seine Stiefel verursachten auf dem Schutt des Wadis ein knirschendes Geräusch.
Die Sonne schien in dieser nackten Schlucht noch stärker herunterzubrennen. Jetzt, da kein Fahrtwind mehr für Kühlung sorgte, drückte die Hitze mit unglaublicher Macht von dem dünnen Streifen blauen Himmels nieder. Beim Aussteigen suchte Hasim-al-Scheichly argwöhnisch den Sand ab, bevor er einen Fuß nach unten setzte. Nach dem Erlebnis der vergangenen Nacht hatte er nicht gut geschlafen. Alpträume hatten ihn geplagt, von riesenhaften Skorpionen und einer feingliedrigen Frau, die auf ihn zugekommen war, um ihn zu küssen, und deren Kopf sich im letzten Augenblick in die Scheren eines Skorpions verwandelt hatte. Zu erschöpft, um der Besichtigung des Grabes beizuwohnen, beschloß Hasim, zurückzubleiben und bei den Landrovern zu warten.
Der Regierungs- Ghaffir , der den Grabeingang bewachte, hockte im Staub und hatte zum Schutz gegen die Sonne eine vergilbte Ausgabe der Tageszeitung El Ahram über seinen Turban gebreitet. Er hob die Hand zum Gruß, stand langsam auf und hantierte mit den Schlüsseln an seinem Gürtel.
Als das Eisentor aufsprang, fragte Alexis: »Nützt das etwas?«
»Nein. Die Wächter sind bestechlich.«
Gleich nach dem Betreten des Grabes wurde offensichtlich, was gemeint war: Wandschmierereien und Spuren von Vandalismus fielen einem überall ins Auge. Das Innere wirkte unheimlich und bedrückend. Über einen schräg abfallenden Korridor und eine steile Treppe gelangte man in die Sargkammer, wo einst der Sarkophag gestanden
hatte. Drinnen herrschte eine düstere, muffig-schwüle Atmosphäre. Mark führte seine Begleiter, die kaum ein Wort sprachen, durch diesen Raum in eine Halle, deren Wände mit stark beschädigten Reliefs verziert waren, die die königliche Familie bei der Verehrung des Sonnengottes Aton zeigten.
»Als dieses Grab 1936 entdeckt wurde«, erklärte Mark, während er seine Taschenlampe auf die Wandmalereien richtete, die schemenhaft vor ihnen auftauchten, »enthielt es nicht mehr als einen zerschlagenen Sarkophag und ein paar Kanopen. Das sind dickbauchige Krüge, in denen die Eingeweide des Verstorbenen beigesetzt wurden. Die Kanopen, die man in diesem Grab fand, waren nie benutzt worden, und der Sarkophag war leer. Man kann sicher davon ausgehen, daß niemand je hier begraben wurde.«
Ron entfernte sich von der Gruppe und begann, sein Stativ aufzubauen.
»Warum wurde es nie benutzt?« murmelte Alexis. Sie hob eine Hand zu dem nächstgelegenen Wandgemälde empor, ohne es jedoch zu berühren. Mark blickte auf Alexis’ nach oben gerichtetes Profil und wunderte sich erneut über die merkwürdige Vertrautheit, die er beim Anblick ihres Gesichtes immer wieder feststellte. Das Spiel von Licht und Schatten in dem Grab unterstrichen ihre einzigartige Schönheit, die vorspringenden Backenknochen, den sinnlichen Mund und die gerade, klassische Nase. In dem schummrigen Licht des Grabes schien sich Alexis’ Gesicht zu verändern. Ein bei Tageslicht nicht wahrnehmbarer Ausdruck schien nun darauf hervorzutreten. »Ich weiß nicht«, murmelte Mark vor sich hin.
»Wird das Ramsgate-Grab so aussehen wie dieses hier?« Alexis Halsteads Stimme hatte sich ein wenig verändert; sie klang nun tiefer, rauher.
»Ich weiß nicht …«
Alexis drehte sich etwas zur Seite und starrte mit halbgeschlossenen Augen auf die bizarren Gestalten an der Wand: Echnaton und Nofretete, die ihrem Gott huldigten. Ihre Stimme klang wie ein seltsam
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