Die sieben Dämonen: Roman
einem Zustand tiefen Schlafs.
Mitten in der Nacht schlug Mark plötzlich die Augen auf. Er spitzte die Ohren, lauschte in die Stille und fragte sich, wodurch er wohl aufgewacht sein könnte. Irgend etwas hatte ihn jäh aus einem tiefen, traumlosen Schlaf gerissen und ihn mit einem Mal hellwach werden lassen. Während er auf dem Rücken lag und in die Dunkelheit starrte, spürte er, wie sein Herz klopfte, doch nicht in seiner Brust, sondern in seinem Bauch – ein schwerer, rhythmischer Pulsschlag.
Erstaunt setzte er sich auf. Ein leichter Schweißfilm bedeckte seinen Körper und ließ ihn die Nachtluft als kalt empfinden. Ein schmerzhaftes Pochen setzte in seinem Kopf ein.
Dann hörte er es. Das sanfte, herzzerreißende Klagen einer weinenden Frau.
Leise erhob er sich von seinem Lager und spürte dabei eine starke nervliche und körperliche Anspannung. Er meinte, sein Körper müßte jeden Augenblick zerspringen. Barfuß stahl er sich zu dem mit
einem Fliegennetz bespannten Eingang, und während er auf Rons gleichmäßige Atmung lauschte, zog er langsam den Reißverschluß auf und trat ins Freie.
Die schneidend kalte Luft schlug ihm entgegen wie eine Flut Eiswasser. Als er zu frösteln anfing, rieb er sich die Arme und horchte. Das sanfte, schmerzerfüllte Weinen war noch immer zu hören, jetzt sogar noch deutlicher.
Auf leisen Sohlen schlich er zu den anderen Zelten hinüber, lauschte zuerst an dem der Halsteads, dann an dem von Jasmina Schukri. Nichts. Alles war dunkel und still.
Mark massierte sich zerstreut die Schläfen. Das Kopfweh wurde immer schlimmer. Dann drehte er den Kopf hierhin und dorthin und streckte die Nase in den Wind, als nähme er Witterung auf. Wie unter Zwang folgte er der Richtung, aus der das Wimmern kam.
Ein wenig abseits vom Lager sah er sie anmutig auf dem Stein kauern, auf dem ein paar Stunden zuvor der Grieche gesessen hatte. Sie hielt ihr Gesicht in der Armbeuge verborgen, und ihr zarter Rücken hob und senkte sich mit jedem Schluchzer. Mark betrachtete sie hingerissen. Eine Art Aura umgab die Frau, ein schwaches Leuchten, das von ihrem geschmeidigen Körper auszugehen schien. Sie trug ein wallendes, weißes Kleid, das wie Milch an ihrem zarten Körper herabfloß.
Irgendwie kam sie ihm vertraut vor und dann doch wieder nicht. Sie war eine Fremde, von der er dachte, daß er sie eigentlich kennen sollte.
Wie gebannt starrte Mark sie an. Er betrachtete die schlanken Beine, die sie sittsam unter sich gezogen hatte, die überaus femininen Rundungen ihrer Arme und der Krümmung ihres Rückens.
Dann fiel Mark auf, daß er sowohl den Stein, auf dem sie saß, als auch die Kalksteinfelsen im Hintergrund problemlos wahrnehmen konnte.
Die Frau war durchsichtig.
Zehn
Mark rührte gedankenlos in seinem kalten Kaffee. Er wartete darauf, daß die Aspirintabletten endlich wirkten.
Außer ihm hielten sich noch Jasmina Schukri und Hasim al-Scheichly im Zelt auf. Sie saßen an dem anderen Tisch und beendeten gerade ihr Frühstück.
Mark war wieder mit Kopfschmerzen und dem unbestimmten Gefühl aufgewacht, geträumt zu haben. Aber der Traum war jetzt wie weggeblasen – er konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, worum es darin gegangen war – und alles, was er davon zurückbehalten hatte, war das lästige, heute wirklich üble Kopfweh.
Samira versuchte, ihm einen Teller mit Rührei aufzudrängen, aber er schob ihn von sich. Als sie sich von ihm abwandte, bemerkte er einen Lederbeutel, der von ihrem Gürtel herabbaumelte, und überlegte kurz, ob der unangenehme Geruch, der sie stets zu umgeben schien, wohl von diesem Lederbeutel herrührte. Er wußte, daß eine Scheicha stets allerlei Pülverchen mit sich führte, und es war ihm auch nicht unbekannt, daß sie halluzinogene Pflanzen kaute. Doch in diesem Geruch lag etwas Menschliches, was ihn vermuten ließ, daß er von der Frau selbst ausging. Mark nahm sich daher vor, Abdul daraufhin anzusprechen und ihn dafür sorgen zu lassen, daß sie sich wusch.
Das Fliegennetz am Eingang wurde angehoben, und Alexis Halstead trat ein.
»Wo ist Ihr Mann?« erkundigte sich Mark. »Wir werden gleich aufbrechen.«
»Sanford wird uns nicht begleiten. Er ist unpäßlich.«
»Was fehlt ihm denn? Ich habe ihn doch bei Sonnenaufgang joggen hören.«
»Er hat schon wieder Nasenbluten.«
Jasmina schaute von ihrem Tee auf. »Soll ich nach ihm sehen?«
Ohne die junge Frau anzublicken, erwiderte Alexis Halstead: »Nicht nötig. Es wird ihm bald wieder
Weitere Kostenlose Bücher