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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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ähnlichen Denkprozeß durchlaufen hatte wie ich.
    »Und wenn es der Fall wäre, ja, wenn es wirklich so ist! Ich weiß sehr wohl, daß der Geist ihrer Mutter in ihr wohnt. Würde sie dazu in sich den Geist dieser großen und wundersamen Königin tragen, dann wäre sie mir nicht weniger teuer, sondern doppelt teuer! Malcolm Ross, ängstigen Sie sich nicht ihretwegen, jedenfalls nicht mehr als der anderen wegen!«
    Margaret griff das Thema auf und sprach so rasch, daß ihre Worte eher als Fortsetzung der Rede ihres Vaters, denn als Unterbrechung wirkten:
    »Malcolm, meinetwegen habe keine Befürchtungen. Königin Tera weiß alles und wird uns nichts Böses tun. Ich weiß es – so sicher, wie ich in den Tiefen meiner Liebe für dich verloren bin!«
    Aus ihrer Stimme klang eine solche Fremdheit, daß ich hastig ihren Blick suchte. Ihre Augen waren strahlend wie immer, verbargen aber wie ein Löwe im Käfig die innersten Gedanken vor mir wie hinter einem Schleier.
     

18. KAPITEL
     
    DIE LEHRE DES »KA«
     
    An jenem Abend gingen alle zeitig zu Bett. Die nächste Nacht versprach Anspannung zu bringen, daher war Mr. Trelawny der Meinung, wir sollten uns im voraus mit Schlaf stärken. Auch der Tag würde viel Arbeit bringen. Alles mußte fürs Große Experiment noch einmal durchgegangen werden, damit sich kein Fehler einschlich und uns um den Erfolg brächte. Natürlich stellten wir uns auch darauf ein, Hilfe zu rufen, falls es nötig sein sollte. Doch glaube ich nicht, daß jemand ernsthaft an Gefahr dachte. Gewiß befürchteten wir keinen Akt der Gewalt wie in London während Mr. Trelawnys langandauernder Trance.
    Was mich anlangte, so verspürte ich große Erleichterung. Ich fand Mr. Trelawnys Einwand einleuchtend, daß nämlich von Seiten der Königin kein Widerstand zu erwarten war, wenn sie wirklich die Persönlichkeit war, für die wir sie hielten. Denn wir taten ja nichts anderes, als ihre eigenen Wünsche in die Tat umzusetzen. Soweit also war ich beruhigt – weitaus beruhigter, als ich es noch vor kurzem für möglich gehalten hätte. Doch gab es daneben andere Ursachen für Sorgen, die ich nicht so einfach verdrängen konnte. Die wichtigste war Margarets seltsamer Zustand. Wenn es zutraf, daß sie in ihrer Person eine Doppelexistenz beherbergte, was würde dann geschehen, wenn die zwei Existenzen miteinander verschmolzen? Immer wieder drehte und wendete ich diese Sache in Gedanken hin und her, bis ich vor Nervosität und Angst am liebsten laut geschrien hätte. Da war mir der Gedanke kein Trost, daß Margaret selbst gelassen schien. Denn Liebe ist ein selbstsüchtig Ding und wirft schwarze Schatten auf alles, was zwischen ihr und dem Licht steht. Mir war, als hörte ich die Uhrzeiger auf dem Zifferblatt vorrücken. Ich sah Dunkelheit zur Dämmerung werden, Dämmerung zum Morgengrauen, Grau zu Helligkeit, ohne daß in der Abfolge meiner kläglichen Gefühle eine Pause eingetreten oder sich ihnen gar ein Hindernis entgegengestellt hätte. Ich stand schließlich auf, als ich keine Angst mehr zu haben brauchte, ich könnte jemanden stören. Leise schlich ich den Gang entlang und stellte fest, daß alles in bester Ordnung war. Wir hatten nämlich abgesprochen, daß wir die Zimmertüren einen Spalt offenlassen würden, damit jedes störende Geräusch sofort von allen wahrgenommen werden konnte.
    Alle schliefen sie nicht. Ich konnte ihre regelmäßigen Atemzüge hören, und mein Herz frohlockte, daß diese elende Nacht voller Angst vorbeigegangen war. Als ich mich in meinem Zimmer überwältigt zu einem Dankgebet niederkniete, erkannte ich das ganze Ausmaß meiner Angst. Ich ging aus dem Haus und lief über die lange, in den Fels gehauene Treppe hinunter ans Wasser. Ich schwamm in der kühlen klaren See und spürte, wie sich meine Nerven beruhigten und ich wieder ganz der alte wurde.
    Als ich das obere Ende der Treppe erreichte, sah ich, wie die hinter mir aufgehende Sonne die Felsen drüben auf der anderen Seite der Bucht in schimmerndes Gold tauchte. Und doch fühlte ich so etwas wie Beunruhigung. Alles war viel zu klar wie zuweilen kurz vor Ausbruch eines Gewitters. Während ich innehielt und das alles beobachtete, spürte ich eine leichte Hand auf meiner Schulter. Ich wandte mich um und sah Margaret dicht neben mir stehend. Margaret, klar und strahlend wie die Morgenpracht der Sonne! Diesmal war es die Margaret, die mir gehörte, die Margaret von früher, der nichts Fremdes beigemengt war, und ich spürte,

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