Die sieben Finger des Todes
vergessen! Welch ein Verlust! Ausgerechnet jetzt! Ausgerechnet im Moment des Erfolges! Er liegt hilflos da, und meine Zunge ist gebunden! Ich kann keine Hand rühren, da ich seine Verfügungen nicht kenne!«
»Was soll das? Oh, sprechen Sie! Ich bin voller Sorgen um meinen teuren Vater! Gibt es neue Kümmernisse! Hoffentlich nicht! Ich weiß vor Kummer und Sorgen nicht mehr aus noch ein! Und wenn ich Sie so reden höre, werde ich wieder von Angst gepackt! Können Sie mir denn nicht etwas sagen, damit diese schreckliche, bange Ungewißheit ein Ende hat!«
Er richtete seine untersetzte Gestalt zu voller Größe auf, als er sagte: »So leid es mir tut – ich kann nicht – darf Ihnen nichts sagen. Es ist sein Geheimnis.« Er deutete auf das Bett. »Und doch – doch bin ich gekommen um seinen Rat, seinen Beistand, seine Hilfe. Und er liegt hilflos da… Und die Zeit verfliegt! Bald kann es zu spät sein!«
»Was ist es denn?« unterbrach ihn Miß Trelawny in einem Gefühlsausbruch mit schmerzgezeichnetem Gesicht. »Sprechen Sie! Sagen Sie etwas! Diese Angst, dieser Schrecken, dieses Geheimnis, das alles wird mich töten!«
Mr. Corbeck zügelte sich nur mit Mühe.
»Einzelheiten darf ich nicht verraten. Aber ich sage Ihnen, daß ich einen großen Verlust erlitt. Meine Mission, die mich drei Jahre lang in Anspruch nahm, erwies sich als erfolgreich. Ich entdeckte das Gesuchte – ja noch mehr. Und brachte die Sache sicher hierher. Schätze, die unbezahlbar sind, für ihn aber doppelt kostbar, nach dessen Wünschen und Anweisungen ich mich auf die Suche machte. Erst gestern abend traf ich in London ein. Und als ich heute erwachte, war die kostbare Ladung gestohlen. Auf geheimnisvolle Weise entwendet. Keine Menschenseele in ganz London wußte von meiner Ankunft. Und außer mir wußte niemand, was sich in meinem schäbigen Handkoffer befand, den ich bei mir hatte. Mein Zimmer hatte nur eine Tür, und die hatte ich verschlossen und verriegelt. Der Raum lag im fünften Stock, so daß durchs Fenster niemand eingedrungen sein kann. Außerdem hatte ich das Fenster eigenhändig verschlossen, da ich jedes Risiko ausschalten wollte. Heute morgen war der Fensterriegel unberührt… und doch war mein Koffer leer. Die Leuchten waren verschwunden…! Herrjeh, jetzt ist es draußen. Ich begab mich nach Ägypten um nach einem Satz antiker Leuchten zu suchen, die Mr. Trelawny unbedingt bekommen wollte. Nach unsäglichen Mühen und vielen überstandenen Gefahren hatte ich sie schließlich gefunden. Ich brachte sie sicher in die Heimat… Und jetzt das!« Er wandte sich zutiefst bewegt ab. Das Gefühl des Verlustes ließ selbst seine eiserne Natur zusammenbrechen.
Miß Trelawny trat zu ihm und legte ihm die Hand auf seinen Arm. Ich sah dies mit Erstaunen. Der leidenschaftliche Schmerz, der sie eben noch bewegt hatte, schien einer neuen Entschlußkraft gewichen zu ein. Ihre Haltung war aufrecht, die Augen blitzten. Energie sprach aus jedem Nerv und jeder Faser. Sogar ihre Stimme war Ausdruck nervöser Kraft, als sie sprach. Es trat klar zutage, daß diese Frau über Stärke verfügte, und daß diese Stärke sich sehr wohl zeigte, wenn sie gefordert wurde.
»Wir müssen ohne Verzug handeln! Die Wünsche meines Vater müssen nach Möglichkeit erfüllt werden. Mr. Ross, Sie sind Anwalt. Im Haus hält sich ein Mann auf, den Sie für einen der besten Detektive Londons halten. Da muß man doch etwas tun können! Wir wollen sofort beginnen!«
Mr. Corbeck ließ sich von ihrem Schwung anstecken.
»Gut! Sie sind wahrhaftig die Tochter Ihres Vater!« Mehr sagte er nicht. Doch die Bewunderung für ihre Tatkraft drückte sich darin aus, wie er impulsiv nach ihrer Hand faßte. Ich ging an die Tür, da ich Sergeant Daw holen wollte. Und ihrem zustimmenden Blick entnahm ich, daß Margaret – Miß Trelawny – verstand. Da rief mich Mr. Corbeck zurück.
»Einen Augenblick noch, ehe wir einen Fremden hinzuziehen«, sagte er. »Denken Sie bitte daran, daß er nicht erfahren darf, was Sie jetzt wissen, nämlich, daß die Leuchten das Ziel einer langen schwierigen und gefährlichen Suche waren. Er darf nur wissen, daß mir mein Eigentum gestohlen wurde. Eine dieser Leuchten muß ich beschreiben, denn sie ist aus Gold. Und ich hege die Befürchtung, daß der Dieb, der den historischen Wert nicht erkennt, sie einschmilzt, um eine Entdeckung zu verhindern. Ich würde liebend gern den zehn-, ja zwanzig-, ja hundert-, ja tausendfachen Wert bezahlen, als
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