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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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sich. »Dann besteht eine Chance. Wenn Ihre Tür verschlossen war und das Fenster verriegelt, wurden die Sachen nicht zufällig vom Zimmermädchen oder Hausknecht gestohlen. Wer die Sachen mitgehen ließ, der war mit Absicht dahinter her. Und er wird sich von seiner Beute nicht trennen, ohne seinen Preis zu verlangen. Man muß also die Pfandleiher ins Vertrauen ziehen. Ja, ein wahres Glück, daß wir Scotland Yard nicht davon in Kenntnis setzen. In diesem Fall ist die Geheimhaltung unsere Chance.«
    Nach einer kleinen Pause meinte Mr. Corbeck leise:
    »Ich nehme an, Sie können nicht annähernd abschätzen, wie der Raub zustande kam?«
    Der Polizeibeamte lächelte, und in seinem Lächeln lagen Wissen und Erfahrung.
    »Zweifellos auf ganz einfache Weise, Sir. Schließlich und endlich erweisen sich all diese geheimnisvollen Verbrechen meist als ureinfach. Der Verbrecher kennt sein Metier mit allen Tricks. Und er ist ständig auf Möglichkeiten aus. Über dies weiß er aus Erfahrung, wie diese Möglichkeit beschaffen sind und wie sie sich gewöhnlich ergeben. Die Gegenseite hingegen hat nur ihre Vorsicht. Man kann ja nicht alle Tricks und Fallen kennen. Ein kleines Versäumnis genügt, und die Falle ist zugeschnappt. Wenn wir schließlich alles über diesen Fall wissen werden, werden Sie sich sehr wundern, daß Sie nicht sogleich hinter die Methode gekommen sind!«
    Mr. Corbeck schien daraufhin ein wenig verärgert. Als er antwortete, geschah es auf hitzige Art:
    »Sehen Sie, lieber Freund, in diesem Fall ist nichts einfach – bis auf die Tatsache, daß die Sachen verschwunden sind. Das Fenster war zu, der Kamin war zugemauert. Das Zimmer hatte nur eine Tür, und die war verschlossen und verriegelt, ein Oberlicht war nicht vorhanden. Kommen Sie mir nicht mit Hoteldiebstählen durch das Oberlicht! In der Nacht ging ich nicht aus dem Zimmer. Ehe ich zu Bett ging, sah ich bei den Sachen noch mal nach, und ich sah sofort nach dem Erwachen wieder nach. Wenn Sie aus diesen Tatsachen einen einfachen Raub konstruieren wollen, dann müssen Sie ein kluger Mann sein. Mehr sage ich nicht. Jedenfalls klug genug, um loszumarschieren und mir meine Sachen zurückzubringen.«
    Miß Trelawny legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm und sagte leise:
    »Machen Sie sich keine unnötigen Sorgen. Ich bin sicher, die Sachen tauchen wieder auf.«
    Sergeant Daw wandte sich ihr mit einer solchen Plötzlichkeit zu, daß sich mir sofort lebhaft die Erinnerung an seinen bereits geäußerten Verdacht aufdrängte.
    »Darf ich fragen, worauf sich Ihre Ansicht stützt?« fragte er nun.
    Ich fürchtete ihre Antwort, weil sie vor jemandem ausgesprochen wurde, der bereits Argwohn geäußert hatte. Ihre Worte waren für mich ein neuer schmerzlicher Schock:
    »Ich kann es Ihnen nicht sagen, woher ich es weiß. Aber ich bin dessen absolut sicher!« Der Detektiv sah sie schweigend an, um mir sodann einen verstohlenen Blick zuzuwerfen.
    In weiterer Folge besprach er mit Mr. Corbeck noch Einzelheiten bezüglich seines eigenen Verhaltens, bezüglich des Hotels und des Zimmers und der Mittel zur Identifizierung der Dinge. Dann empfahl er sich, um mit den Ermittlungen zu beginnen, nachdem Mr. Corbeck ihm die Notwendigkeit der Geheimhaltung eingeprägt hatte, damit der Dieb nicht Wind von der Sache bekäme und die Leuchten womöglich zerstörte. Ehe Mr. Corbeck ging, um verschiedene eigene Angelegenheiten zu erledigen, sagte er zu, früh am Abend wiederzukommen und im Haus zu bleiben.
    Den ganzen Tag über war Miß Trelawny besserer Laune und sah gesünder und kräftiger aus als je zuvor, trotz des neuen Schocks, den die Nachricht vom Diebstahl mit sich gebracht hatte und der für ihren Vater gewiß eine große Enttäuschung bedeutete.
    Wir brachten den Tag größtenteils damit zu, die Raritätensammlung Mr. Trelawnys zu sichten. Nach dem, was ich von Mr. Corbeck gehört hatte, bekam ich langsam eine Ahnung, wieviel er auf dem Gebiet der Ägyptologie unternommen hatte. Und in diesem Licht gewann alles um mich herum an Interesse, und dieses Interesse wuchs immer mehr. Jegliche geheime Zweifel, die ich gehegt haben mochte, verwandelten sich in Bewunderung und Staunen. Das ganze Haus stellte eine Sammelstätte für die Wunder altägyptischer Kunst dar. Zu den großen und kleinen Raritäten in Mr. Trelawnys Zimmer – angefangen von großen Sarkophagen bis herunter zu Skarabäen aller Arten in den Schränken – waren das große Vestibül, die Treppenabsätze, das

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