Die sieben Finger des Todes
Stein, aber es war ein Stein und nicht mehr.
»Fällt Ihnen etwas an der Anordnung der Lampen auf?« fragte er dann.
»Nein!«
»Sie waren in der Anordnung des Sternbildes »Wagen« angebracht wie die Sterne im Rubin!«
Diese Feststellung war dergestalt, daß in mir eine gewisse Überzeugung geweckt wurde. Warum, das vermag ich nicht zu sagen, bloß hatte es um die Mumie so viel geheimnisvolle Vorgänge gegeben, daß jedes neue Geheimnis einem einer Erklärung näherzubringen schien. Ich lauschte also gespannt, während Trelawny fortfuhr:
»Seit sechzehn Jahren ließ mich dieses Abenteuer nicht mehr los, und immer war ich auf der Suche nach einem Schlüssel zu den Geheimnissen, auf die wir stießen. Doch erst vergangene Nacht stieß ich auf eine mögliche Lösung. Ich muß sie wohl geträumt haben, denn ich wachte voller Begeisterung auf und sprang aus dem Bett, entschlossen, etwas zu tun, noch ehe ich recht wußte, was ich eigentlich wollte. Und plötzlich lag alles klar vor mir. In den Wandmalereien der Gruft waren Hinweise auf das Siebengestirn des Großen Bären, das den Wagen bildet. Und immer wieder kam der Norden vor. Dieselben Symbole wurden im Zusammenhang mit der »Zaubertruhe«, wie wir sie nannten, erwähnt. Die wunderlichen durchscheinenden Stellen im Gestein waren uns bereits aufgefallen. Sie entsinnen sich gewiß der Stelle, die beschrieb, daß der Edelstein aus dem Herzen eines Meteors stammte, und daß auch diese Truhe daraus gehauen war. Da dachte ich mir, daß das Licht des Siebengestirns, aus der richtigen Richtung einfallend, vielleicht eine gewisse Wirkung auf die Truhe ausüben könnte oder auf ihren Inhalt. Ich schob die Jalousie hoch und sah hinaus. Hoch am Himmel stand der Große Wagen mit dem Polarstern direkt über dem Fenster. Ich schob den Tisch mit der Truhe ins Licht und rückte so lange daran herum, bis die durchscheinenden Stellen auf die Sterne gerichtet waren. Sofort erglühte die Truhe, wie Sie es eben unter den Lampen sahen. Ich wartete ab. Doch der Himmel bewölkte sich, und das Licht schwand. Also holte ich mir Drähte und Lampen – Sie wissen ja, wie oft ich sie bei Experimenten brauche – und versuchte es mit elektrischem Licht. Es dauerte ziemlich lange, bis ich die richtige Anordnung der Lampen getroffen hatte, so daß sie den speziellen Teilen des Steines entsprachen, aber kaum hatte ich sie richtig angeordnet, fing das ganze Ding zu glühen an, wie Sie es eben gesehen haben.
Aber weiter gelangte ich nicht. Irgend etwas fehlte dabei. Da fiel mir plötzlich ein, daß es in der Gruft irgendwelche Leuchten gegeben haben mußte, da dem Licht eine so große Bedeutung zufiel. Denn das Licht der Sterne konnte ja in die Mumienkammer nicht eindringen. Und dann wurde mir alles klar. Auf den Blutstein-Tisch, in dessen Platte eine Höhlung eingelassen ist, in die der Unterteil der Truhe paßt, legte ich die Zaubertruhe. Und ich sah sofort, daß die sonderbaren und so sorgsam ausgearbeiteten Auswölbungen irgendwie der Anordnung der Sterne im Sternbild entsprachen. Also handelte es sich dabei um Halterungen für Leuchten.«
»Heureka!« rief ich aus. »Jetzt brauchen wir nur noch die Lampen.« Ich versuchte die elektrischen Birnen auf oder ganz nahe an diesen Ausbuchtungen anzubringen. Doch ihr Schein fiel nicht auf den Stein. Daher wuchs in mir die Überzeugung, daß es zu diesem Zweck eigene Leuchten geben müsse. Gelingt es uns, diese aufzutreiben, dann wäre ein weiterer Schritt zur Lösung des Rätsels getan.
»Was ist mit den Leuchten?« fragte ich. »Wo sind sie? Wann sollen wir uns auf die Suche begeben? Und wie sollen wir sie erkennen, wenn wir sie finden? Wie…«
Er gebot mir Einhalt.
»Eines nach dem anderen!« sagte er leise. »Ihre erste Frage beinhaltet alle anderen. Wo sind diese Lampen! Das werde ich Ihnen sagen: Sie sind in der Gruft!«
»In der Gruft!« wiederholte ich verblüfft. »Aber wir beide haben die Gruft bis in den letzten Winkel durchsucht. Und wir haben keine Spur einer Leuchte entdeckt. Nichts blieb zurück, als wir zum erstenmal die Gruft verließen, und beim zweiten Mal waren es nur die toten Araber.«
Unterdessen hatte er ein paar große Papierbogen aufgerollt, die er aus seinem Zimmer gebracht hatte. Diese breitete er auf dem großen Tisch aus und beschwerte die Ränder mit Büchern und Gewichten. Ich erkannte sie auf den ersten Blick. Es waren sorgfältige Kopien unserer ersten Transkriptionen der Gruftinschriften. Als er alles bereit
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