Die sieben Finger des Todes
zwischen den siebenseitigen Säulen hindurch die Grabkammer betreten hatte.
Genau dort, wo ich die Öffnung des Serdab erwartet hatte, befand sie sich auch – und die Nische war leer.
Nicht aber die Kammer. Denn unter der Öffnung lag die ausgetrocknete Leiche eines Mannes in Araberkleidung. Ich untersuchte nun gründlich die Wände, um festzustellen, ob Trelawny mit seiner Vermutung recht hatte. Und ich fand heraus, daß in sämtlichen angezeigten Positionen des Sternbildes jene zwei letzten Sterne des Wagens auf einen Punkt links oder südlich der Serdab-Öffnung zeigten, wo ein einzelner goldener Stern zu sehen war.
Ich drückte auf diese Stelle, sie gab nach. Der Stein, der die Vorderseite des Serdab darstellte und jetzt nach innen gekippt war, bewegte sich ein wenig. Bei näherer Untersuchung der anderen Seite der Öffnung, entdeckte ich eine ähnliche Stelle, die von anderen Konstellationen des Sternbildes dargestellt wurde, nämlich eine Darstellung des Siebengestirns, bei der jeder Stern in schimmerndem Gold dargestellt war. Ich drückte der Reihe nach jeden Stern – vergebens. Dann kam mir der Gedanke, daß die Sterne gleichzeitig, nämlich von einer siebenfingrigen Hand, zu drücken wären. Indem ich beide Hände zu Hilfe nahm, schaffte ich es.
Mit einem lauten Klicken sprang eine Metallfigur direkt hinter dem Verschluß hervor. Der Verschluß-Stein schwang langsam zurück und schnappte mit einem Klicken zu. Der Blick, den ich auf die Gestalt hatte tun können, jagte mir keinen geringen Schrecken ein. Sie war ähnlich jenem grimmen Wächter, den, will man dem arabischen Historiker Ibn Abd Alhokin glauben, König Saurid Ibn Salhouk zum Schutze der Schätze in der westlichen Pyramide aufstellte. »Eine Marmorgestalt, aufrecht, mit der Lanze in der Hand, um den Kopf eine Schlange. Wenn jemand sich näherte, biß die Schlange zu, wickelte sich um den Hals des Eindringlings und tötete ihn, um sich hierauf wieder auf ihren Platz zu begeben.«
Ich wußte sehr wohl, daß eine solche Figur nicht zum Spaß geschaffen worden war, und daß es kein Kinderspiel war, es mit ihr aufzunehmen. Der tote Araber zu meinen Füßen war der beste Beweis dafür. Ich setzte meine Untersuchung der Wand fort und entdeckte da und dort Abschürfungen, als hätte jemand mit einem schweren Hammer die Wand abgeklopft. Es hatte sich also folgendes abgespielt: Der Grabräuber, der über mehr Erfahrung verfügt hatte als wir und das Vorhandensein eines verborgenen »serdab« vermutet hatte, hatte sich auf die Suche gemacht und zufällig jene Feder ausgelöst, die den rächenden »Schatzhüter« hervorschnellen ließ. Das Ergebnis sagte alles. Ich nahm ein Stück Holz und drückte damit aus sicherer Entfernung auf den Stern.
Sofort schnellte der Stein zurück. Die dahinter verborgene Figur sprang mit ausgestreckter Lanze hervor. Dann war sie wieder verschwunden. Nun meinte ich, ich könnte selbst ohne Gefahr die sieben Sterne drücken und tat es auch. Wieder wich der Stein zurück, und der Schatzhüter huschte vorüber – und in sein Versteck zurück.
Beide Experimente wiederholte ich mehrmals und erzielte stets dasselbe Ergebnis. Wie gern hätte ich den Mechanismus dieser mit so bösartiger Beweglichkeit ausgestatteten Figur untersucht. Aber ohne entsprechende und schwer zu beschaffende Werkzeuge war dies unmöglich. Man hätte wahrscheinlich ein Stück Gestein herausschlagen müssen. Eines Tages hoffe ich, entsprechend ausgerüstet zurückzukehren und einen Versuch zu machen.
Wahrscheinlich wissen Sie nicht, daß die Öffnung eines »serdab« meist sehr schmal ist, so daß man manchmal kaum die Hand hineinzwängen kann. Bei diesem Serdab nun erfuhr ich zweierlei. Erstens mußten die Leuchten, falls überhaupt Leuchten vorhanden gewesen waren, sehr klein gewesen sein. Und zweitens, daß sie auf irgendeine Weise mit Hathor in Verbindung stehen mußten, deren Sinnbild, der Falke in einem Viereck, dessen rechte obere Ecke abermals ein Viereck bildete, in die Innenwand geritzt war und in demselben hellen Rot leuchtete wie die Stele. Hathor nimmt in der ägyptischen Mythologie jene Stellung ein, die Venus bei den Griechen innehat, nämlich als Göttin der Schönheit und Lebensfreude. Bei den Ägyptern aber erscheint jede Gottheit in verschiedenen Gestalten, so steht Hathor beispielsweise auch mit der Vorstellung von der Wiederauferstehung in Verbindung. Es existieren sieben Gestalten oder Varianten der Göttin; es drängte sich mir die
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