Die sieben Finger des Todes
hatte, wandte er sich zu mir um und sagte gemessen:
»Erinnern Sie sich, wie Sie sich bei unserer ersten Durchsuchung der Gruft wunderten, daß etwas fehlte, was sonst meist in solchen Gräbern vorhanden ist?«
»Ja, richtig! Es fehlte ein »serdab«.«
»Den Begriff »serdab« müßte ich vielleicht erklären«, sagte Mr. Corbeck zu mir. »Das ist eine Art Nische, die in die Mauer einer Gruft eingebaut oder aus ihr herausgehauen ist. Die bislang entdeckten tragen keine Inschriften und enthalten nur Bilder der Toten, für die das Grab geschaffen wurde.« Nun fuhr er fort in seiner Erzählung:
Als Trelawny merkte, daß ich die Bedeutung erfaßt hatte, fuhr er mit seiner früheren Begeisterung fort: »Ich bin zu dem Schluß gelangt, daß es ein »serdab« geben muß – ein geheimes. Wie dumm von uns, daß wir nicht eher daran dachten. Wir hätten wissen müssen, daß der Erbauer einer solchen Gruft – eine Frau, die in anderer Hinsicht so viel Sinn für Schönheit und Vollkommenheit bewiesen hatte und die jede Einzelheit mit weiblichem Feingefühl durchdachte – diese architektonische Besonderheit nicht ausgelassen hätte. Auch wenn dies fürs Ritual keine Bedeutung gehabt hätte, hätte sie es als zusätzliches Schmuckelement gewiß einbauen lassen. Andere vor ihr taten es auch, und sie wollte, daß ihr Werk vollkommen sei. Verlassen Sie sich darauf, daß es ein »serdab« gab – daß es eines gibt. Und daß wir, wenn wir darauf stoßen, darin die Leuchten finden werden. Hätten wir damals gewußt, was wir jetzt wissen oder zumindest vermuten, dann hätten wir nach einem Geheimversteck gesucht. Ich werde Sie bitten, wieder nach Ägypten zu fahren, die Gruft zu durchsuchen, das »serdab« zu finden und die Leuchten mitzubringen!«
»Und falls ich entdeckte, daß es kein »serdab« gibt, oder aber, wenn ich zwar ein solches finde, aber entdecken muß, daß es leer ist?«
Daraufhin lächelte er, so wie ich ihn seit Jahren nicht mehr lächeln gesehen hatte: »Dann werden Sie danach suchen müssen, bis Sie die Leuchten finden!«
»Gut!« sagte ich darauf. Er deutete auf einen der Papierbogen.
»Das hier sind die Inschriften der Kammer an der Süd- und an der Ostwand. Ich habe mir die Texte noch einmal angesehen, und ich kam dahinter, daß an sieben Stellen in dieser Ecke die Symbole des »Wagen« genannten Sternbildes anzutreffen sind, von dem Königin Tera glaubte, daß es ihre Geburt beeinflußt habe und ihr Schicksal beherrsche. Ich habe sie sorgfältig untersucht und mußte feststellen, daß es sich um Darstellungen der Sternengruppe handelt, und zwar so wie diese Konstellation an verschiedenen Teilen des Himmels zu sehen ist. Sie sind in ihrer Gesamtheit astronomisch korrekt. Und wie am wirklichen Himmel die beiden entferntesten Sterne dieses Sternbildes auf den Polarstern weisen, so weisen die an die Wand gezeichneten alle auf eine Stelle, an der man gewöhnlich den »serdab« antrifft.«
»Bravo!« hatte ich ausgerufen, denn eine solche Schlußfolgerung verdiente Beifall. Er schien erfreut, als er fortfuhr:
»Untersuchen Sie diese Stelle, wenn Sie dort angelangt sind. Wahrscheinlich ist eine Feder oder eine sonstige mechanische Vorrichtung zum Öffnen der Nische angebracht. Verlieren wir uns nicht in Vermutungen darüber, was das sein könnte. An Ort und Stelle werden Sie gewiß selbst am besten wissen, was Sie zu tun haben.«
In der folgenden Woche trat ich die Fahrt nach Ägypten an, nicht ruhend und rastend, ehe ich nicht wieder vor der Gruft stand. Ich hatte sogar einige Mann unserer Begleitmannschaft von früher aufgetrieben und war so mit Hilfskräften wohlversorgt. Überdies hatten sich die Verhältnisse im Lande in den vergangenen sechzehn Jahren grundlegend geändert, so daß sich Soldaten oder bewaffnete Begleiter als unnötig erwiesen.
Ich erklomm den Felsabsturz ganz allein, was nicht weiter schwierig war, da das Holz der Leitern dank des dortigen trockenen Klimas nicht morsch, sondern noch immer fest und verläßlich war. Daß in den vergangenen Jahren Besucher in der Gruft gewesen waren, war nicht zu übersehen. Und meine Stimmung sank abgrundtief, als ich mir ausmalte, daß womöglich jemand bereits das Versteck gefunden haben könnte. In der Tat eine bittere Enttäuschung, wenn sich die lange Reise als vergeblich erweisen sollte, weil mir bereits jemand zuvorgekommen war.
Leider sollte sich dies als betrübliche Wahrheit herausstellen, nachdem ich meine Fackeln entzündet und
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