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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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Wandmalereien ließ das Fehlen des großen Sarkophages und aller anderen Gegenstände die Höhle wüst und leer erscheinen.
    Aber noch schrecklicher wurde der Anblick durch die verhüllte Gestalt der Mumie Königin Teras, die auf dem Boden lag, an jener Stelle, wo der große Sarkophag gestanden hatte. Daneben lagen in den unheimlich verzerrten Stellungen gewaltsamen Todes drei der Araber, die sich von unserer Gruppe getrennt hatten. Ihre Gesichter waren schwarz, Hände und Hälse verschmiert von dem Blut, das ihnen aus Mund, Nase und Augen gedrungen war.
    Und ein jeder Hals trug die schwarz werdenden Abdrücke einer siebenfingrigen Hand.
    Trelawny und ich traten näher, vor Bangigkeit und Furcht aneinander Halt suchend.
    Denn was der Gipfel aller Wunder war, auf der Brust der mumifizierten Königin lag eine siebenfingrige Hand, elfenbeinfarben. Um das Gelenk verlief ähnlich einer gezackten roten Linie ein Riß, an dem Blutstropfen zu hängen schienen.
     

12. KAPITEL
     
    DIE ZAUBERISCHE TRUHE
     
    Nachdem wir uns von unserem Staunen erholt hatten, das ungebührlich lange zu dauern schien, verloren wir keine Zeit und schleppten die Mumie durch den Gang, um sie dann den Schacht hochzuhieven. Ich stieg als erster hoch und nahm sie oben in Empfang. Bei einem zufälligen Blick nach unten sah ich, daß Mr. Trelawny die abgetrennte Hand nahm und sie an seiner Brust barg, offenbar um sie vor Beschädigungen und Verlust zu schützen. Die toten Araber ließen wir an Ort und Stelle liegen. Mittels unserer Seile ließen wir unsere kostbare Last an den Fuß der Felswand hinab. Dann schafften wir sie an den Taleingang, wo unsere Begleitung wartete. Zu unserer Verwunderung mußten wir feststellen, daß sie zum Aufbruch rüsteten. Als wir den Scheich zur Rede stellten, verteidigte er sich damit, daß er das Abkommen genau eingehalten hätte. Er hatte wie besprochen drei volle Tage gewartet. Ich aber neigte der Ansicht zu, er griffe zu einer Lüge, weil er seine Absicht, nämlich uns feige im Stich zu lassen, verschleiern wollte, und stellte fest, daß Trelawny denselben Argwohn hegte. Erst als wir Kairo erreichten, entdeckten wir, daß der Scheich die Wahrheit gesagt hatte. Wir hatten am dritten November die Mumienkammer zum zweiten Mal betreten. Aus einem ganz bestimmten Grund sollte uns das Datum für immer im Gedächtnis bleiben.
    Wir hatten für drei volle Tage unser Zeitgefühl verloren – sie waren aus unserem Leben gestrichen –, während wir staunend in der Kammer der Toten gestanden hatten. Nimmt es daher wunder, daß wir, was die tote Königin Tera und ihre Habseligkeiten betraf, ein von abergläubischen Vorstellungen geprägtes Gefühl hatten?
    Ist es ein Wunder, daß dieses Gefühl uns auch jetzt nicht verlassen hat? Daß wir das Gefühl haben, eine Kraft außer uns und unserer Vorstellungskraft wäre am Werk? Wäre es zu verwundern, daß uns diese Kraft, ist unsere Zeit erst gekommen, bis ins Grab verfolgt? Falls uns, die wir ein Grab plünderten, ein eigenes Grab beschieden ist!«
    Nach kurzem Schweigen fuhr er fort: »Wir langten wohlbehalten in Kairo an und setzten die Fahrt nach Alexandria fort, von wo aus wir auf dem Seeweg nach Marseille und weiter mit dem Expreßzug nach London kommen wollten. Aber der Mensch denkt und Gott lenkt, wie es so schön heißt. In Alexandria fand Trelawny eine Depesche vor, mit der Mitteilung, Mrs. Trelawny hätte bei der Geburt einer Tochter ihr Leben gelassen.
    Ihr vom Schicksal so schwer geprüfter Gatte machte sich unverzüglich mit dem Orientexpreß auf den Weg, während ich mit den Schätzen allein die Heimfahrt fortsetzte. Ich gelangte sicher nach London. Die ganze Fahrt schien unter einem besonders günstigen Stern zu stehen. Als ich ankam, war die Beerdigung schon vorüber. Das Kind war außer Haus in Pflege gegeben worden, und Mr. Trelawny hatte sich von dem Schock des erlittenen Verlustes so weit erholt, daß er sich daranmachen konnte, die abgerissenen Fäden seiner Arbeit und seines Lebens wiederaufzunehmen. Daß es ihn schwer getroffen hatte, war klar. Das plötzliche Grau im schwarzen Haar war genug Beweis. Dazu kam aber, daß seine scharfen Züge hart und starr geworden waren. Seitdem er jene Depesche im Schiffahrtsbüro in Alexandria erhalten hatte, habe ich ihn nie wieder lächeln gesehen.
    In einem solchen Fall ist Arbeit die beste Medizin. Und er widmete sich mit Herz, Leib und Seele seiner Arbeit. Die seltsame Tragödie seines Verlustes und Gewinns – das

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