Die sieben Finger des Todes
Kind war nach dem Tod der Mutter geboren worden – hatte sich während der Zeit abgespielt, als wir wie in Trance in der Mumienkammer der Königin Tera gestanden hatten. Die Tragödie schien in irgendeiner Verbindung mit seinen ägyptischen Studien zu stehen, besonders mit den Geheimnissen um die Königin. Von seiner Tochter sprach er nur wenig. Daß in seinen Gefühlen zu ihr zwei Seelen in seiner Brust kämpften, merkte ich ihm an. Ich spürte, daß er sie liebte, ja sie anbetete. Und doch konnte er nicht vergessen, daß ihre Geburt ihrer Mutter das Leben gekostet hatte. Zudem gab es etwas, was dem Vater fast das Herz abdrückte, und doch wollte er mir nie den Grund sagen. Doch einmal brach er in einem Augenblick der Entspannung sein Schweigen:
»Sie ist ihrer Mutter nicht ähnlich, dafür hat sie, was Gesichtszüge und Farbgebung betrifft, eine wunderbare Ähnlichkeit mit den Bildern der Königin Tera.«
Er hatte sie bei Leuten untergebracht, die für sie sorgten, wie er es nicht konnte. Sie sollte bis zum Erwachsenwerden alle jene einfachen Vergnügen genießen, wie alle anderen jungen Mädchen. Ich hätte mich gern öfter mit ihm über sie unterhalten, doch er war in diesem Punkt sehr verschlossen. Nur einmal sagte er: »Es gibt Gründe dafür, warum ich nicht mehr als unbedingt nötig sage. Eines Tages werden Sie es erfahren – und verstehen!« Ich respektierte seine Zurückhaltung, und sprach nicht mehr von ihr, ja ich beschränkte mich darauf, jeweils nach der Rückkehr von einer Reise mich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Gesehen habe ich sie kein einziges Mal. Erst in Ihrem Beisein lernte ich sie kennen.
Nun denn, als die Schätze, die wir aus der Gruft, hm, mitgenommen hatten, hier eintrafen, kümmerte Mr. Trelawny sich persönlich um ihre Aufstellung. Die Mumie legte er, mit Ausnahme der abgetrennten Hand, in den großen Eisensteinsarkophag im Vestibül. Dieser Sarkophag war für Uni, den Hohepriester Thebens, gemacht worden und ist, wie sie vielleicht bemerkt haben, über und über mit wunderbaren Anrufungen der alten Götter Ägyptens bedeckt. Alle übrigen Dinge aus dem Grab brachte er in seinem eigenen Zimmer unter. Darunter befand sich, aus einem besonderen, nur ihm bekannten Grund die Mumienhand. Ich glaube, diese sieht er als seinen kostbarsten Besitz an, mit Ausnahme vielleicht des Rubins, den er »Juwel des Siebengestirns« nennt und den er in dem großen Safe aufbewahrt.
Sicher finden Sie das alles ziemlich langweilig, doch ich muß es Ihnen erklären, damit sie alles bisher Vorgefallene besser verstehen. Erst lange Zeit nach meiner Rückkehr mit der Mumie der Königin Tera kam Mr. Trelawny wieder auf dieses Thema zurück. Er war mehrfach in Ägypten gewesen, allein und auch mit mir, während auch ich viele Reisen unternahm, in eigener Sache oder für ihn. Doch die ganze Zeit über – fast sechzehn Jahre waren es – ließ er das Thema unerwähnt, es sei denn ein dringender Grund machte eine Bemerkung erforderlich.
Eines Morgens ließ er mich eilends holen. Ich ging damals Studien im Britischen Museum nach und wohnte in der Hart Street. Als ich hierherkam, war er vor Begeisterung Feuer und Flamme. So hatte ich ihn seit dem Tod seiner Frau nicht mehr erlebt. Ich wurde sofort in sein Zimmer geführt, wo die Jalousien heruntergelassen und die Läden geschlossen waren. Kein einziger Lichtstrahl konnte von außen eindringen. Die normalen Beleuchtungskörper des Raumes brannten nicht, statt dessen waren starke elektrische Birnen, von denen jede mindestens die fünfzigfache Leuchtkraft einer Kerze hatte, auf einer Seite des Zimmers angeordnet. Der kleine Blutsteintisch, auf dem die siebeneckige Truhe stand, war in die Zimmermitte gerückt worden. Wundervoll sah die Truhe aus in dieser Beleuchtung. Sie schien zu glühen, als würde sie von innen beleuchtet.
»Nun, was halten Sie davon?« fragte er.
»Wie ein Juwel«, gab ich zurück. »Man könnte das Ding »Zaubertruhe des Magiers« nennen, wenn es sich des öfteren so präsentiert. Es sieht ja aus, als wäre es von Leben erfüllt!«
»Und wissen Sie, warum?«
»Vermutlich durch den Lichteinfall?«
»Ja, natürlich,« sagte er, »aber es spielt vor allem die Anordnung der Lichter ein Rolle.« Dabei schaltete er die normale Zimmerbeleuchtung ein und löschte die eigens angeordneten Leuchten. Die Wirkung war erstaunlich. In Sekundenschnelle hatte der steinerne Behälter den Leuchteffekt eingebüßt. Es war immer noch ein sehr schöner
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