Die sieben Finger des Todes
existierenden Berichten hatte. Ist denn in Anbetracht der vergangenen Ereignisse niemand auf den Gedanken gekommen, wer oder was ihr Schutzgeist gewesen sein könnte?«
Nun gab es eine Unterbrechung, weil Doktor Winchester mit einer Faust in die andere Handfläche hieb und ausrief:
»Die Katze! Die Katzenmumie! Ich wußte es doch!«
Mr. Trelawny bedachte ihn mit einem Lächeln. »Ganz recht! Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß der Schutzgeist der Magier-Königin die Katze war, die gleichzeitig mit ihr einbalsamiert wurde und die man nicht nur in ihr Grab, sondern gar zusammen mit ihr in den Sarkophag legte. Sie war es, die mich in die Hand biß und mit scharfen Krallen kratzte.«
Er machte eine Pause. Margarets Kommentar zu seinen Erklärungen war ganz mädchenhaft-kindlich:
»Dann ist mein armer Silvio freigesprochen. Bin ich froh!«
Ihr Vater strich ihr übers Haar und fuhr fort:
»Diese Frau muß wohl über ungewöhnlichen Weitblick verfügt haben. Einen Weitblick, der weit über ihr Zeitalter und dessen Geisteshaltung hinausging. Sie scheint die Schwächen ihrer Religion klar durchschaut zu haben und traf sogar Vorbereitungen für den Übertritt in eine andere Welt. Alle ihre Hoffnungen waren gen Norden gerichtet, in jene Richtung, aus der die kühlen, belebenden Winde kamen, die das Leben angenehm machten. Von Anfang an wurde ihr Blick vom Siebengestirn des Wagens angezogen, und zwar deswegen, weil bei ihrer Geburt ein großer Meteorit vom Himmel fiel, aus dessen Mitte schließlich der Stein des Siebengestirns geschnitten wurde, den sie als lebensbehütenden Talisman ansah. Dies berichten die Hieroglyphen in ihrer Gruft. Dieser Stein scheint ihr Schicksal so stark bestimmt zu haben, daß all ihr Trachten und Denken allein um ihn kreisten. Der magische Behälter, mit seinen sieben Seiten stammt ebenfalls aus dem Meteoriten, wie wir aus derselben Quelle erfahren. Die Sieben war für Tera eine magische Zahl. Das nimmt nicht wunder, wenn man bedenkt, daß sie sieben Finger an einer Hand hatte und sieben Zehen an einem Fuß. Dazu der Talisman in Gestalt eines seltenen Rubins, mit sieben Sternen in derselben Konstellation wie die ihrer Geburt, wobei jeder Stern der sieben wiederum sieben Zacken aufweist – allein dies schon ein geologisches Wunder. Hätte sie sich davon unberührt gezeigt, wäre es noch merkwürdiger gewesen. Überdies wurde sie, wie wir aus ihrer Grabstelle erfahren, im siebten Monat des Jahres geboren, jenem Monat, der mit der Nilüberflutung beginnt. Über diesen Monat herrscht die Göttin Hathor, die Göttin des Hauses der Königin, nämlich der Antefs aus der thebanischen Linie, jene Göttin, die in verschiedener Gestalt die Schönheit versinnbildlicht, die Lebensfreude und die Auferstehung. In diesem siebenten Monat – der nach der späteren ägyptischen Astronomie am 18. Oktober begann und bis zum 27. November unserer Zeitrechnung dauerte – am siebenten Tag, steigt die Deichsel über den Horizont bei Theben.
Diese verschiedenen Umstände sind nun auf seltsame Weise mit dem Leben dieser Frau verknüpft. Die Zahl sieben, der Polarstern, mit der Konstellation des Siebengestirns, die Gottheit des Monats, Hathor, die gleichzeitig die Gottheit ihrer Familie war und deren sieben Gestalten Liebe, Leben und Auferstehung beherrschen. Wenn es je einen Grund für Magie gab, für die mystische Anwendung der Macht der Symbole, für einen Glauben an endliche Geister in einem Zeitalter, das den lebendigen Gott nicht kannte, dann gab es ihn hier.
Man bedenke überdies, daß diese Frau in allen Wissenschaften ihrer Zeit gelehrt war. Ihr weiser und umsichtiger Vater sorgte dafür, wohl vorausahnend, daß sie den Ränken der Priesterschaft kraft ihres eigenen Wissens entgegentreten würde müssen. Man bedenke zudem, daß die Astronomie im alten Ägypten ihren Ausgang nahm und dort außerordentlich weit entwickelt wurde. Und daß in weiterer Folge der Astronomie die Astrologie folgte. Es ist immerhin möglich, daß man bei Weiterentwicklung der Wissenschaft vom Licht einmal entdecken wird, daß die Astrologie eine wissenschaftliche Grundlage hat. Vielleicht wird sich die nächste Welle naturwissenschaftlicher Forschungen damit befassen. An dieser Stelle muß ich Ihnen noch etwas Spezielles zu bedenken geben. Die Ägypter wußten Dinge, von denen wir trotz unseres Fortschrittes keine blasse Ahnung haben. Die Akustik beispielsweise, für die Erbauer der Tempel von Karnak und Luxor, der Pyramiden, eine
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