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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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Felsplatte über dem Meer von der Außenwelt abgeschlossen waren.
    Im Hause fanden wir alles bereit. Mrs. Grant und ihre Helfer hatten ganze Arbeit geleistet. Alles war hell, frisch und sauber. Nach einer kurzen Besichtigung der wichtigsten Räumlichkeiten zog sich jeder zurück, um sich nach der langen, über vierundzwanzig Stunden dauernden Reise zu waschen und umzukleiden.
    Im großen, nach Süden zu gelegenen Speisezimmer, dessen Wände praktisch senkrecht über dem Meer aufragten, nahmen wir das Abendessen ein. Das Tosen der Wogen war hier gedämpft, aber unablässig zu hören. Da der kleine Felsvorsprung über die See hinausragte, war die Nordseite des Hauses frei, und die genaue Nordrichtung war keineswegs von den Felsmassen verstellt, die, sich hoch über uns auftürmend, die übrige Welt ausschlossen. Weit drüben, auf der anderen Seite der Bucht, sahen wir die zuckenden Lichter des Schlosses, und da und dort entlang der Küste ein schwaches Lichtlein aus dem Fenster einer Fischerhütte. Das Meer selbst war eine dunkelblaue Fläche, auf der hin und wieder ein Licht aufleuchtete, wenn Sternenschimmer auf den geneigten Rücken einer schwellenden Woge fiel.
    Nach dem Essen begaben wir uns in den Raum, den Mr. Trelawny nahe seinem Schlafzimmer zum Arbeitszimmer bestimmt hatte. Nach dem Eintreten fiel mir als erstes ein großes Safe in Auge, das dem in seinem Londoner Zimmer befindlichen einigermaßen ähnlich sah. Mr. Trelawny holte seine Brieftasche hervor und legte sie auf den Tisch. Dabei drückte er mit der Handfläche darauf – und erbleichte. Mit zitternden Fingern öffnete er die Brieftasche und sagte:
    »Der Umfang hat sich verändert. Hoffentlich ist nichts passiert!«
    Wir drei Männer drängten näher heran. Margaret war die einzige, die Ruhe bewahrte. Aufrecht und stumm stand sie da, reglos wie eine Statue. In ihren Augen lag ein in die Ferne gerichteter Blick, als kümmerte es sie nicht, was um sie herum vorging, ja, als wüßte sie es gar nicht.
    Mit einer verzweifelten Gebärde riß Trelawny das Kleingeldfach der Brieftasche auf, in dem er den Siebengestirn-Stein verwahrt hatte. Auf einen Stuhl sinkend, sagte er heiser:
    »Mein Gott! Er ist fort. Ohne den Stein bringt das Große Experiment kein Ergebnis!«
    Seine Worte schienen Margaret aus ihrer selbstvergessenen Versunkenheit zu reißen. Ein gequälter Ausdruck huschte über ihr Gesicht, doch sie hatte sich sofort wieder beruhigt, und sagte mit der Andeutung eines Lächelns:
    »Vater, vielleicht hast du ihn in deinem Zimmer gelassen. Womöglich ist er dir beim Umkleiden aus der Brieftasche gerutscht.«
    Ohne ein weiteres Wort liefen wir durch die offene Tür ins angrenzende Schlafzimmer. Gleich darauf sollte sich die plötzlich eintretende Stille wie eine Wolke der Angst auf uns senken.
    Dort – auf dem Tisch, lag der Stein des Siebengestirns, leuchtend und glitzernd vor Lichtfunken, als schimmere jeder der sieben Zacken der sieben Sterne durch Blut hindurch!
    Ängstlich warfen wir einen Blick hinter uns und sahen einander an. Margaret war nun wie wir übrigen. Sie hatte ihre statuenhafte Ruhe verloren. Ihre aus dem Inneren kommende Starre war von ihr gewichen, und sie verschränkte die Hände, so daß die Knöchel weiß hervortraten.
    Wortlos nahm Mr. Trelawny den Edelstein zur Hand und lief damit ins Arbeitszimmer. So leise wie nur möglich öffnete er das Safe mit dem an seinem Gelenk befestigten Schlüssel und legte den Stein hinein. Als die schweren Türen wieder geschlossen und versperrt waren, atmete er hörbar auf.
    Diese Episode, obgleich in mancherlei Hinsicht beunruhigend, versetzte uns alle wieder in unseren Normalzustand zurück. Denn seit wir London verlassen hatten, waren wir alle überreizt, aber nun ließ die innere Anspannung endlich nach. Ein weiterer Schritt in unserem merkwürdigen Unternehmen war getan. Die Veränderung war bei Margaret deutlicher sichtbar als bei uns anderen. Vielleicht rührte dies daher, daß sie eine Frau war, vielleicht war der Grund aber auch darin zu suchen, daß sie die Jüngste in unserer Runde war.
    Auf jeden Fall war die Veränderung eingetreten, und ich fühlte mich glücklicher als während der langen Fahrt. Ihre Lebensfreude, ihre Zärtlichkeit, ihre Gefühlstiefe traten wieder leuchtend hervor, und wenn der Blick ihres Vaters an ihr hängenblieb, erhellte sich seine Miene.
    Während wir auf das Eintreffen der Wagen warteten, führte uns Mr. Trelawny durchs Haus und erklärte uns, wo er die

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