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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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Mr. Trelawny hatte für uns einen Schlafwagen bestellt, und wir alle suchten unsere Abteile auf, kaum daß der Zug sich in Bewegung gesetzt hatte.
    Auch in jener Nacht schlief ich ganz fest. Mich hatte ein Gefühl der Sicherheit erfaßt, das absolut und nicht zu übertreffen war. Margarets mit Bestimmtheit vorgetragene Behauptung »Es wird keine Schwierigkeiten mehr geben!« schien Ursache dieser Sicherheit, und ich stellte sie nicht in Frage. Die anderen übrigens auch nicht. Erst später begann ich mir darüber Gedanken zu machen, wieso sie ihrer Sache so sicher sein konnte. Der Zug kam nur langsam voran und hielt sehr häufig und für längere Zeiträume. Da Mr. Trelawny erst bei Einbruch der Dunkelheit in Westerton ankommen wollte, bestand kein Grund zur Eile. Außerdem war Vorsorge getroffen worden, daß die Packträger an bestimmten Stationen Verpflegung bekamen. Wir selbst führten unseren Proviant in einem großen Korb mit uns.
    Den ganzen Nachmittag über besprachen wir das Große Experiment, das in Gedanken bereits zu einem fixen Bestandteil unserer Pläne geworden war. Mr. Trelawny steigerte sich mit der Zeit in seiner Begeisterung, und Hoffnung wurde ihm zur Gewißheit. Dr. Winchester ließ sich scheinbar davon anstecken, obgleich er hin und wieder einen wissenschaftlich begründeten Einwand machte, der die Beweiskette des anderen entweder in einer Sackgasse landen ließ oder gar als fesselnder Schock wirkte. Andererseits zeigte sich Mr. Corbeck der Theorie nicht zugeneigt. Während die Ansichten der anderen immer weitere Fortschritte machten, war die seine zum Stillstand gekommen, und die Folge war eine Haltung die negativ, wenn nicht gar völlig ablehnend schien.
    Was nun Margaret betraf, so wirkte sie völlig überwältigt. Entweder war es eine neue Gefühlsphase, die sie durchmachte, oder aber sie sah die ganze Sache jetzt mit mehr Ernst als zuvor. Jedenfalls wirkte sie mehr oder weniger geistesabwesend und in Gedanken versunken. Aus diesem Zustand fuhr sie hin und wieder ruckartig auf, meist dann, wenn unsere Fahrt durch eine Besonderheit unterbrochen wurde und wir beispielsweise in einer Station anhielten oder wenn der Zug donnernd über einen Viadukt rumpelte und das Echo der uns umgebenden Hügel oder Felsen geweckt wurde. Bei diesen Gelegenheiten stürzte sie sich ins Gespräch und nahm mit einem solchen Eifer daran teil, als wolle sie beweisen, daß sie trotz ihrer Gedankenverlorenheit mit ihren Sinnen alles voll aufgenommen hatte, was um sie herum vor sich gegangen war. Mir gegenüber gab sie sich sonderbar, zuweilen sogar mit einer gewissen halb schüchternen, halb arroganten Distanz, die mir neu war. Dann wieder gab es Momente der Leidenschaft in Blick, Geste und Stimme, Augenblicke, die mich schwindlig machten vor Wonne. Ansonsten trug sich während der Fahrt wenig Bemerkenswertes zu. Nur eine Episode sorgte etwas für Beunruhigung, da wir zu der Zeit aber schliefen, waren wir nicht davon betroffen, und erfuhren erst am Morgen davon. Auf der Strecke zwischen Dawlish und Teignmouth wurde der Zug von jemandem aufgehalten, der auf dem Gleiskörper stehend warnend eine Fackel schwenkte. Der Lokomotivführer stellte nach dem Anhalten fest, daß es knapp vor dem Haltepunkt zu einem kleinen Erdrutsch gekommen war und die rote Erde der hohen Böschung sich gelockerte hatte. Die Schienen waren jedoch nicht davon betroffen und der Lokführer war weitergefahren, verärgert über die Verspätung. »Immer diese verdammte Vorsicht auf dieser Strecke!« sollte er sich angeblich geäußert haben.
    Um neun Uhr abends trafen wir in Westerton ein. Wagen und Pferde standen bereit, das Ausladen der Kisten aus dem Zug wurde unverzüglich in Angriff genommen. Wir warteten gar nicht erst ab, bis alles erledigt war, da wir die Arbeit in kompetenten Händen wußten, und bestiegen die wartende Kutsche, die uns in der Dunkelheit eilends nach Kyllion brachte.
    Wir alle waren beeindruckt, als das Haus im hellen Mondlicht auftauchte. Ein großer grauer Steinbau aus der jakobinischen Zeit, groß und weitläufig ragte es hoch über dem Meer am Rande einer hohen Klippe auf. Kaum hatten wir die Kurve der durch den Fels geschlagenen Straße hinter uns und waren auf das Hochplateau gelangt, auf dem das Haus stand, als wir das Tosen und Murmeln der weit unter uns gegen den Fels schlagenden Wellen vernahmen und den belebenden Hauch feuchter Seeluft spürten. Mit einem Schlag wurde uns allen wohl klar, wie gut wir auf dieser

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