Die sieben Häupter
Herrn zu Bernhard und Roswitha und zurück. Roswitha rückte ein winziges Stücknäher an Bernhard heran, nur so viel, daß ihre Schulter seinen Oberarm leicht berührte.
»Geh hin in Frieden, mein Sohn«, sagte der Abt schließlich.
»Amen«, sagte Bernhard und drehte sich mit äußerster Lässigkeit um. Er zwinkerte Roswitha zu. »Komm schon, Weib; ich will dich lieber vögeln als dich wie ein Vöglein aus dem Käfig holen.«
Ein paar von Gernots Knechten grinsten, einer prustete. Bernhard schritt durch ihre Reihen. Wenn ihm ein Baum in den Weg gekommen wäre, hätte er ihn ausgerissen und in die Luft geworfen. Sein Herz pochte immer noch ruhig und gleichmäßig, obwohl ein Triumphgefühl sich seiner bemächtigte. Ein Meisterstück hatte er da vollbracht! Fast wünschte er sich, noch eine Spitze daraufsetzen zu können, dann fiel ihm ein, was er zu tun hatte.
»Graf Heinrich ist mit den meisten seiner Leute wieder aus dem Kloster abgezogen«, sagte er über die Schulter in Richtung Gernot. »Er hat vier oder fünf zurückgelassen, Schwächlinge allesamt. Ich meine nur, falls Euch das Domizil hier auf Dauer zu eng wird.«
Sie nahmen den Durchgang, der in das Gebüsch getrampelt worden war. Niemand folgte ihnen. Roswitha versuchte etwas zu sagen. Bernhard schüttelte den Kopf. Sie gingen weiter. Sie hörten Tezlaw plötzlich kreischen und brüllen, dann war ein dumpfes Geräusch zu vernehmen, wie wenn bei einem Wettkampf ein Spieß durch einen prallgestopften Zielsack ging, und Tezlaws Kreischen erstarb in einem Röcheln. Roswitha schüttelte sich. Bernhard nahm sie am Oberarm, und eine Weile stolperte sie neben ihm her, bis sie sich losmachte.
Bernhard lief auf dem Weg, den er gekommen war, zurück; dann schlug er sich plötzlich seitlich durchs Unterholz und umkreiste das Versteck des Abtes in weitem Bogen. Er hielterst an, als er sicher war, daß niemand sie verfolgte. Eine kleine Senke zwischen den Bäumen war schließlich der Ort, an dem er sich ganz unzeremoniell auf den Boden hockte und zu Roswitha hochblickte. Sie starrte zu ihm herunter. Er begann zu grinsen.
»Na, mein Täubchen?« sagte er.
Roswitha sagte das erste, das ihr in den Sinn kam: »Ist der Graf wirklich abgezogen?«
»Natürlich nicht. Der Abt wird das Kloster stürmen wollen und dabei eine unliebsame Überraschung erleben.«
»Du hast ihn und seine Leute in den Tod geschickt.«
»Ich wollte ihm nicht genügend Zeit geben, seine Beute genauer zu untersuchen und festzustellen, daß der heilige Vitus ein Huhn gewesen sein muß.«
Roswitha hob wortlos eine Faust und öffnete die Finger. Die Knöchelchen, die Abt Gernot Tezlaw ins Gesicht geworfen hatte, lagen darin, von ihrem feinen Goldnetz zusammengehalten. Sie hatte sie an sich genommen, als sie beim Aufstehen die Hand darauf gestützt hatte, ohne zu wissen, warum; vielleicht, weil sie um ihretwillen drei Tage auf dem Grund eines Brunnens gehockt und geglaubt hatte, dort sterben zu müssen. Etwas in ihrem Herzen regte sich und stupste gegen die Mauer aus Taubheit, die sie in sich fühlte, seit sie Bernhard unter seiner Verkleidung erkannt hatte.
Bernhard nahm ihr die Knöchelchen vorsichtig aus der Hand und betrachtete sie. Er hielt sie gegen das Licht; das goldene Netz schimmerte. »Ah ja«, sagte er. »Gernots Beauftragter war wirklich dämlich.« Er wiegte die Reliquie achtlos in einer Hand. »In Prag suchen sie vermutlich wie verrückt danach. Mal sehen, wieviel sie dafür springen lassen.«
»Du hast gewußt, daß das die echte Reliquie ist?«
»Ich war mir sicher, daß das arme Schwein, dem der Abt dieSohlen versengt hat, ihn nicht über den Tisch gezogen hätte. Dazu sah er nicht schlau genug aus.«
»Dann hast du Tezlaw bewußt geopfert …«
»Hieß er so, dein Gefährte im Leid?« Bernhard zuckte mit den Schultern. »Ich bin untröstlich. Wenn er ein wenig hübscher gewesen wäre, hätte ich ihn mitgenommen und dich dort gelassen.« Er faßte nach oben und ergriff ihre Handgelenke. Sie hatte nicht die Kraft, Widerstand zu leisten. Er zog sie zu sich herunter auf seinen Schoß und umarmte sie. Sie erschauerte, aber nicht wegen seiner Berührung. Etwas aus ihrem Herzen stieg ihre Kehle empor. Sie erkannte, daß die Taubheit geschwunden war, und versuchte es drinnen zu halten, aber es ging nicht. Plötzlich begann sie zu schluchzen.
»O Gott!« heulte sie und vergrub ihr Gesicht in seiner Schulter. »Ich hatte solche Angst, und ich dachte … o mein Gott …!«
»Na,
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