Die sieben Schätze des Yoga
»So Ham«. So kann man die Bedeutung »Du bist Das« bzw. »Ich bin Das« erfahren. Dies ist eine typische Form des Prakrita Pranayama. Auch in einem anderen wichtigen Yogatext, in Patañjalis Yoga-Sutra ( > ), können wir entdecken, dass es gar nicht so sehr um die mechanischen Aspekte des Pranayama geht, sondern darum, dass Pranayama uns in einen Zustand des Geistes zu bringen vermag, der sehr positiv, kreativ, frei und heiter ist. Das bedeutet also, die Betonung liegt beim Pranayama nicht darauf, den Atem mechanisch, gewaltsam oder blind zu modifizieren, sondern ihn sanft, behutsam und mit großer Sorgfalt abzuwandeln, verbunden mit der Absicht, den eigenen inneren Zustand zu beeinflussen. Deshalb sollte man so üben, dass man am Ende der Pranayama-Praxis eine immer weiter fortschreitende Beruhigung des Atems erlebt. Und dieses Zur-Ruhe-Kommen der Atmung ist ganz eng verknüpft mit der Beruhigung des Geistes.
Deswegen ist Prakrita Pranayama – das natürliche Fließenlassen des Atems – der allerwichtigste Startpunkt, bevor man damit beginnt, den Atem irgendwie verändern zu wollen. Der Effekt am Ende aller Pranayamas sollte sein, dass alle willentlichen Bemühungen jeglicher Art schwächer werden, sodass ein ruhiger Atem von selbst entsteht. Und dann wird diese Ruhe des Atems in ihrer Intensität und Dauer schrittweise immer länger und subtiler werden. Das mündet in das, was Patañjali als chaturtha bezeichnete, den »Vierten Zustand«, der sich allen Beschreibungen über innen und außen entzieht. Kevala Pranayama hat nichts mehr mit absichtsvollem Handeln zu tun. Es ist der Zustand, in dem der Atem ganz sanft und ruhig wird und der Handelnde in dir, der sich überall einmischen möchte, nicht anwesend ist. Der Geist ohne den Macher ist ein stiller Geist. Wenn der Handelnde abwesend ist, kann sich das Ich als das wahre Selbst manifestieren.
So Ham (auch: tat tvam asi) bedeutet »Ich bin Das (Göttliche/Absolute)«. Diese Aussage ist der Kern der Lehre der Upanishaden ( > ). Sie ist die Erkenntnis, die in der Meditation entsteht, wenn sich die Wahrnehmung darauf ausrichtet, den eigenen inneren Wesenskern zu erfahren, die eigene Seele (Atman), über die man an der Weltseele (Brahman) teilhat.
Im persönlichen Kontakt ist Dr. Shrikrishna ein offener und äußerst zugewandter Gesprächspartner.
Gibt es einige Ratschläge, die Sie den Yogaübenden nach mehr als drei Jahrzehnten Ihrer Lehrpraxis geben wollen?
Grundsätzlich denke ich, dass alle Techniken des Yoga eine große Hilfe sind, wenn wir deren Natur, deren Möglichkeiten und deren Grenzen klar verstehen und wissen, wofür wir sie einsetzen können. Es sind dann nicht mehr nur körperliche Bewegungen, die mechanisch durchgeführt werden, sondern sie helfen uns, unser Bewusstsein zu entwickeln, uns mit dem verbunden zu fühlen, was die Realität ist. Sich verbunden zu fühlen, gewahr zu werden, was ist, ohne etwas auszuschließen, abzulehnen oder zu unterdrücken, das ist der Kern des Yoga und die Essenz.
Und dieses Gefühl der Verbundenheit ist eine sehr wichtige Sache, weil, wie ich eingangs sagte, sich die urbanen, modernen Menschen von allem abgetrennt fühlen, auch abgetrennt von der Natur um sie herum. Und mehr noch: Sie verstehen die Wichtigkeit und Bedeutung ihres eigenen Körpers nicht – wie wundervoll er ist. Die meiste Zeit sind sie mit ihm nur über das Äußere verbunden – durch die Augen der anderen –, die ihnen sagen, wie schön, wie attraktiv und wie ansehnlich sie sind. Sicherlich kann das innerhalb eines gewissen sozialen Kontextes wichtig sein, dass man attraktiv ist, aber viel wichtiger ist doch, den eigenen Körper so zu respektieren, wie er ist. Ich sollte mich mit ihm verbunden fühlen, so wie er ist, um seinen Wert zu verstehen.
Darüber hinaus sollte man mit den eigenen Emotionen verbunden sein und sie vollständig wahrnehmen, anstatt vor ihnen zu flüchten oder sie zu verleugnen.
Man sollte ebenso mit seinen eigenen Gewohnheiten und Gedankenmustern verbunden sein, um zu verstehen, welche Art von Gedanken und Emotionen immer wieder auftauchen.
Außerdem sollte man sich nicht nur mit dem, was das eigene Innenleben ausmacht, verbinden, sondern mit allem, was sich außerhalb dessen befindet – mit den Menschen, der Gesellschaft, der Natur. Ja, das Gefühl des Verbundenseins mit allem, was da ist – das ist Yoga. Asanas, Pranayama und Meditation können helfen, dieses Gefühl der Verbindung herzustellen. Welche
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