Die sieben Schätze des Yoga
menschlichen Funktionen – auf der physischen, physiologischen, emotionalen und auch auf der intellektuellen Ebene. So wurde ich also Arzt, um Yoga besser zu verstehen.
Ich kam zurück zum Yoga, um beides zu verstehen: sowohl die Erfahrungen auf rationaler und analytischer Ebene als auch die unbeschreibbaren Regionen jenseits der rationalen Denkmuster – und um mit diesen vertraut zu werden.
Sie leiteten viele Jahre das Kaivalyadhama-Institut in Mumbai. Was sind Ihre Erfahrungen mit Yogatherapie? Wo sehen Sie ihren Nutzen und wo ihre Grenzen?
Yogatherapie verfügt über unglaubliche Bewältigungsstrategien und Möglichkeiten und hat auch ihre spezifischen Begrenzungen. Für jeden Yogatherapeuten ist es deshalb sehr wichtig zu wissen, wo er innehalten muss und wozu er nicht in der Lage ist, um dann Aufmerksamkeit und Energie auf das zu lenken, was er bewirken kann.
Yogastrategien helfen nicht nur von außen, sondern auch von innen her. Ein Mensch, der erkrankt ist, sollte das Gefühl haben, dass er nicht nur passiver Empfänger ist, sondern ein aktiver Teilnehmer an dem Prozess, wieder gesund zu werden. Es ist in der Tat nicht so, dass ich ihn heile und dass ich der Heiler bin, sondern es geht darum, dass ich ihm helfe, zu heilen, zu gesunden. In diesem Prozess sind meine Energie, mein Verständnis, mein Wissen und meine Erfahrung zweifelsohne wichtig, aber wichtiger als diese ist seine innere Kraft, die die Heilung zu bewirken vermag. Diese Selbstheilungskraft wohnt jedem Menschen inne – der Yoga erlaubt nur ihre Ausdehnung und ermöglicht es, dass sich dieser Prozess ungehindert vollziehen kann.
Yogatherapie bedeutet also nicht, dass ich Ihnen ein Asana oder ein Pranayama beibringe, das dann wie Magie ein bestimmtes Resultat hervorzaubert. Wenn ich Ihnen ein Asana oder ein Pranayama beibringe, lehre ich Sie vielmehr zu gesunden, indem ich Ihnen durch die erhöhte Aufmerksamkeit für die Vorgänge im Innern wieder den Zugang zu Ihren eigenen inneren Ressourcen ermögliche und Ihnen helfe, diese so vollständig wie möglich zu nutzen. Ich glaube, an dieser Stelle ist Yoga unglaublich fruchtbar, da die konventionelle Art und Weise der Medikation ja sonst eher von außen erfolgt.
Im alten Indien existierten Yoga und die Heilkunst Ayurveda als Geschwisterdisziplinen. Sie ergänzen sich und teilen viele Konzepte und Ideen. Eine dieser Ideen ist es, dass stets ein Selbstheilungsprozess existiert, der in irgendeiner Weise gestört, unterdrückt, abgelenkt oder behindert wird in seinem Wirken. Daraus entsteht Krankheit. Um wieder gesund zu werden, entferne also alles, was dieses Wirken behindert, und dann wird dieser Prozess in Gang kommen.
»Pranayama bedeutet: Tanzen mit dem Atem.«
Dr. Shrikrishna
Was ist für Sie das Herzstück der Pranayama-Lehre? Und welcher Aspekt dieser Lehre erscheint Ihnen unverzichtbar in der Vermittlung?
Das Wort Prana hat in der Tradition viele Bedeutungen. Betrachtet man das gesamte Konzept, scheint man äußerlich vom physischen Aspekt des Atems auszugehen – von der Luft als physischem Element wie auch von den physischen Vorgängen der Atmung. Auf einer etwas subtileren Ebene repräsentiert Prana die physiologisch-biologischen Energien, die den Atemprozess regulieren, und auch die anderen inneren Vorgänge, die an den Funktionen der Vitalorgane beteiligt sind.
Auf der Geistesebene repräsentiert Prana die zentrale Energie, die das ganze Spektrum der Funktionen des menschlichen Seins ordnet.
Im Wesentlichen bedeutet Pranayama, sich seiner selbst in allen Aspekten gewahr zu werden, unter Zuhilfenahme des Atems. Den Atem zu manipulieren oder bestimmte Veränderungen der Atemmuster hervorzurufen, ist nur ein kleiner Teil von Pranayama.
Was die Grundkonzepte hinter den technischen Aspekten des Pranayama angeht, beziehe ich mich im Wesentlichen auf die Betrachtungen und die Wortwahl, wie wir sie in den alten Abhandlungen über Yoga finden: Zunächst Prakrita Pranayama, bei dem der Fokus auf dem natürlichen Fließen des Atems liegt; dann folgt Vaikrit Pranayama, die Modifizierung der Atmung, und schließlich Kevala Pranayama, die Ruhe des Atems. Interessant ist auch, was wir in den Hatha-Yoga-Texten finden können, wenn es um die Verbindung des Atems mit dem Mantra »So Ham« geht: Bei der Übung Ajapa Japa bleibt man, ohne die Atmung in irgendeiner Weise zu verändern, auf das natürliche Fließen des Atems fokussiert und verbindet dies mit der innerlichen Wiederholung der Silben
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