Die Sieben unterirdischen Könige
hell
erleuchteten. Im Saal wandelten Höflinge in grünen Prunkkleidern mit
edelsteinbesetzten Hüten einher. Als sie den Mann erblickten, der sich im
Aussehen von den Einwohnern des unterirdischen Landes so sehr unterschied, liefen sie auf Renjo zu und überschütteten ihn mit Fragen. Sie hatten
das Recht dazu, denn sie standen rangmäßig höher als er.
Der Hüter der Quelle wehrte sie jedoch mit den Worten ab:
„Meine Herren, ich habe keine Zeit, mich mit Ihnen zu unterhalten, ich muß
dem König sofort eine schreckliche Nachricht überbringen. Eben ist die
Heilige Quelle zerstört worden und ihr Wasser versickert.”
„Das kann nicht sein!” hörte man mehrere Stimmen. „Heute abend soll
unser Hof schlafen gehen!” „Was fangen wir nun an?!”
Renjo wandte sich an einen der Hofleute, einen stattlichen Alten mit
weißem Bart.
„Herr Minister Koriente, ich bitte Euch, bei Seiner Majestät unverzüglich
um eine Audienz für mich nachzusuchen!” Korriente eilte fort, und bald tat
sich am anderen Ende des Empfangssaales eine Tür auf, vor der ein stolzer
Zeremonienmeister feierlich in den Saal rief:
„Seine Unterirdische Majestät, König Mentacho, befehlen, den gefangenen
Fremdling in den Thronsaal des Regenbogenpalastes zu führen!”
Mit schlotternden Knien folgte Ruf Bilan dem Höfling. Bündel, Girlanden
und Kronleuchter aus phosphoreszierenden Kugeln tauchten den Thronsaal
in ein ungewöhnlich helles Licht, das dem Auge wohltat und den Schatten
der Gegenstände verschlang. Diese Lampen gaben keine Wärme - sie
strahlten kaltes Licht aus. Später erfuhr Ruf Bilan, daß jede Wohnung im
unterirdischen Lande durch solche Kugeln beleuchtet wurde, denn das
Licht, das durch die Fenster in die Häuser fiel, war sehr schwach. An der
Anzahl der phosphoreszierenden Kugeln konnte man die Vermögenslage
der Menschen erkennen. In den Häusern der Würdenträger gab es Dutzende
solcher Leuchten, in den Hütten der Armen aber brannte nur eine einzige
Kugel, die so groß wie eine Kirsche war. Bilan blickte wie gebannt zur
gegenüberliegenden Seite des Saales, wo auf einer Erhöhung der Thron des
Königs stand. In einem breiten Sessel mit zahlreichen geschnitzten Verzierungen saß ein großer, dicker Mann mit einem Strubbelkopf. Das war
König Mentacho. Von seinen Schultern fiel ein weiter, mit grünen Blumen
bestickter Umhang. Erschrocken starrte Bilan in das Gesicht des Königs.
„Erzähle alles”, befahl Mentacho streng, „ohne etwas zu verheimlichen.”
Zitternd und stockend erzählte Bilan, wer er in der Smaragdenstadt
gewesen, wie er aus Angst vor Strafe in die unterirdische Welt geflohen sei,
und was er im Labyrinth angerichtet habe. Mentachos Miene wurde immer
finsterer. Dann dachte er lange nach. Im Saal war es mäuschenstill. Selbst
die Höflinge hatten zu tuscheln aufgehört. Allen war klar, daß sich jetzt das
Schicksal eines Menschen entschied.
„Hört meinen Spruch”, sagte der König. „Du hast schändlich gegen deine
Mitbürger gehandelt, aber uns gehen die Angelegenheiten der oberen Welt
nichts an. Du hast aber die Heilige Quelle zerstört, und das ist ein schreckliches Unglück für unser Land, dessen Folgen gar nicht abzusehen sind. Für
ein solches Verbrechen würde jeder Bewohner unseres Landes hingerichtet
werden, du aber bist ein Fremder und hast deine böse Tat aus Unwissenheit
und Todesangst begangen. Darum wäre es ungerecht, dir das Leben zu nehmen…”
Ruf Bilan hätte fast einen Freudenschrei ausgestoßen. „Ich will dir sogar ein
Amt bei Hofe geben, damit du nicht umsonst dein Brot ißt”, fuhr Mentacho
fort. „Aber glaube nicht, daß du, weil du bei Urfin Juice Minister warst, hier
ein hohes Amt bekommst. Ich ernenne dich lediglich zum Gehilfen des
vierten Lakaien, und du wirst beim Hofgesinde leben …” Der Verräter fiel
dem König zu Füßen und begann seine smaragdenbesetzten Schuhe zu
küssen. Mentacho zog angewidert die Füße zurück und brummte: „Dieser
Mann hat die Seele eines Lakaien, beim Hofgesinde ist wahrhaftig der Platz,
den er verdient.”
Strahlend verließ Ruf Bilan den Thronsaal. Man hatte ihm das Leben
geschenkt, und das war ihm das Wichtigste.
,Jetzt werde ich mich um jeden Preis wieder hocharbeiten`, sagte er zu sich.
VERWIRRUNG IM UNTERIRDISCHEN LAND
An dem Tag, als die Quelle mit dem Schlafwasser versiegte, und an den
folgenden Tagen herrschte in der Stadt der sieben Könige ein schreckliches
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