Die Sieben unterirdischen Könige
Vorschlag Rusheros befremdete die Ratsmitglieder. Viele
sprangen auf, um ihren Unmut hinauszuschreien. Es erhob sich ein
schrecklicher Lärm. Am meisten tobte die königliche Verwandtschaft, all
die Oheime, Vettern und Neffen der Könige. Aber das Gesetz verbot es,
einen Redner zu unterbrechen, ehe er zu Ende gesprochen hatte. König
Mentacho stellte die Ordnung wieder her, und Rushero fuhr fort:
„Nehmen die Könige meinen Vorschlag an, so können sie einen großen Teil
ihres Hofgesindes entlassen, das den Palast überfüllt und weniger den
Monarchen und ihren Familien als den Ministern und Höflingen dient. Ich
glaube, daß dann weder Wachen noch Spione notwendig sein werden, denn
das Volk wird keinen Anlaß zur Unzufriedenheit haben. Ich habe errechnet,
daß mindestens sechshundert Nichtstuer nützliche Arbeit verrichten können.
Und wenn alle diese Schmarotzer, die dem Volk auf dem Nacken sitzen,
weg sind, wird das, was wir haben, für uns völlig ausreichen.”
Als Rushero seine flammende Rede beendete, erhob sich ein Sturm der
Entrüstung. Minister und Hofleute brüllten und schüttelten die Fäuste.
„Wir sollen hinter dem Pflug einherstapfen, wir, die Nachfahren des edlen
Bofaro?” schrien sie. „Wir sollen an den Schmelzöfen vor Hitze vergehen?
Wir sollen auf die Privilegien verzichten, die uns unsere Vorf ahren vererbt
haben, und so sein wie das gemeine Volk? Hat der Hüter der Zeit den
Verstand verloren?”
Nach Rushero ergriffen viele Minister und Räte das Wort. Sie wiesen den
Plan des Hüters der Zeit zurück und sagten, man müsse die Handwerker und
Bauern zwingen, mehr zu arbeiten. Wenn sich die Arbeiter mehr
anstrengten, sagten sie, würden sie mehr Waren erzeugen, und man könnte
dann mehr Lebensmittel bei den Bewohnern der oberen Welt eintauschen.
Die Wachen und Spione aber dürfe man nicht entlassen, denn nur sie hielten
das Volk in Botmäßigkeit. Der letzte Redner wurde unerwartet unterbrochen, als der Kommandant der Stadtwache in den Thronsaal stürzte und
keuchend hervorstieß:
„Eure Majestäten! Soeben hat ein Eilbote die Meldung überbracht, daß sich
zwei Fremde der Stadt der Sieben Könige nähern.”
Die Sitzung nahm ein jähes Ende. Könige und Hofleute stürzten schreiend
und fluchend aus dem Palast. Allen voran rannte der feiste Mentacho. Die
bunte Menge strömte aus dem Tor und blieb verwundert stehen. Auf die
Stadt zu kamen ein hochgewachsener dunkelhaariger Junge und ein
Mädchen, das ein wunderliches, zottiges Tierchen an die Brust drückte.
Zweiter Teil
EINE LANGE IRRFAHRT
DER BRIEF
Nach dem Sieg über den bösen und tückischen Urfin Juice hatte Elli von
ihren treuen Gefährten - dem Scheuch, dem Eisernen Holzfäller und dem
Löwen - Abschied genommen und mit Onkel Charlie das Wüstenschiff
bestiegen, das startklar am schwarzen Stein Gingemas stand. Die Rückreise
durch die Große Wüste verlief ohne Zwischenfälle, denn die schwarzen
Steine hielten ja nur den auf, der in das Wunderland zog, nicht aber, wer
wieder zurückkehrte. Frau Anna umarmte ihr Kind und sagte:
„Mein Töchterchen, jetzt wirst du uns doch nicht mehr verlassen? Wir
haben so um dich gebangt …”
John Smith, der Vater, brummte, an seiner Pfeife ziehend: „Ich glaube, du
hast jetzt der wunderlichen Abenteuer genug! Zwei Meilen von hier ist eine
Schule eröffnet worden die wirst du besuchen. Freundschaften mit Feen und
anderen Zauberwesen mögen wohl angenehm sein, aber Bildung können sie
nicht ersetzen.”
Am festlich gedeckten Tisch zeigte der einbeinige Charlie seinen
Verwandten stolz einen großen Smaragd, den der Weise Scheuch ihm
geschenkt hatte.
„Was meinst du, John, wieviel ist das Ding wert?” fragte er seinen
Schwager. Dieser schaute sich den Stein von allen Seiten an, wog ihn in der
Hand und sagte:
„Ich glaube, der Juwelier wird dafür ein hübsches Sümmchen zahlen.”
„Oh, endlich wird mein Traum in Erfüllung gehen”, strahlte der Seemann.
„Ich kaufe mir einen Schoner und fahre zu meinen alten Freunden nach
Kuru-Kusu. Bei allen Wettern - das sind Prachtkerle, sage ich euch! Leider
werde ich mich von Elli trennen müssen. Schade, daß Mädchen nicht auf
Schiffen arbeiten, sonst würde ich sie mitnehmen …”
Ellis Augen glänzten, aber Frau Anna unterbrach ihren Bruder unwirsch:
„Du hast dir schon wieder was ausgedacht!”
„Laß es gut sein, Schwester, reg dich nicht auf! In einer Woche seid ihr
mich los!”
Es vergingen
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