Die Sieben unterirdischen Könige
Cousine:
„Ich glaube, unsere Irrfahrt ist bald zu Ende. Den Rest des Weges werden
wir auch zu Fuß schaffen.”
„Und wenn der Fluß die ganze Breite der Höhle einnimmt? Was tue ich
dann, wo ich doch so schlecht schwimme?”
„Da werde ich dir eben helfen, ich bin ja ein guter Schwimmer”, sagte Fred
so, als wollte er sich selbst Mut machen. Mit dem Boot war nichts mehr
anzufangen. Die Kinder lasen zusammen, was heil geblieben war, und
zogen traurig weiter. Toto, der sogleich vergaß, welche Todesgefahr ihm
eben gedroht hatte, rannte schnuppernd am Ufer hin und her, und niemand
hätte sagen können, was für eine Beute er sich da erhoffte. Sie legten etwa
eine halbe Meile zurück. Über die schlüpfrigen Ufersteine zu gehen und
dazu noch das Gepäck zu tragen war natürlich weit ermüdender, als im Boot
zu sitzen und gemächlich dahinzugleiten. Erst jetzt begriff Elli, was ihnen
das Boot gewesen war …
Toto, der sich ein ganzes Stück vom Wasser entfernt hatte, begann laut zu
bellen. Aber das war nicht ein unruhiges, sondern ein frohes Bellen. Elli und
Fred liefen schnell zu der Stelle hin und erblickten da zu ihrer großen
Freude auf einer steinernen Erhöhung ein umgestülptes Boot, dessen Haut
aus Sechsffüßerleder und die Versteifungen aus Tierknochen bestanden.
„Mir geht ein Licht auf”, sagte Fred. „Diese Springer, wie du sie nennst,
haben wohl vor langer Zeit hier gelebt, dann mußten sie aus irgendeinem
Grunde in die obere Welt ziehen. Hier kommt man aber nur auf dem Wasser
hinaus, deshalb bauten sie sich Boote aus Leder und Knochen von
Sechsfüßern. Eines war zuviel, und sie ließen es zurück. Vielleicht dachten
sie, es später einmal abzuholen. Weil sie die Gewohnheiten dieser Tiere
kannten, legten sie das Boot auf die Erhöhung, damit es nicht beschädigt
werde. Und so ist es zu unserem Glück erhalten geblieben.”
„Gewiß, nur so kann es gewesen sein”, sagte das Mädchen. „Ich hol mal
schnell das Ruder!” rief Fred.
„Laß mich nicht allein, ich fürchte mich”, rief Elli. Da hob Fred sie empor
und setzte sie auf den gewölbten Boden des Bootes. Er kam schnell zurück.
Beide schleppten nun das Boot, das viel größer und schwerer war als ihr
Kofferboot, mit großer Mühe zum Wasser. Das Leder der Sechsfüßer mußte
wohl von hervorragender Qualität sein, denn das Boot war sehr gut erhalten,
außerdem war es geräumig und stabil. Fred setzte sich ans Heck, ergriff das
Ruder, und das kleine Fahrzeug trieb schnell auf den Wellen dahin.
IM LAND DER UNTERIRDISCHEN ERZGRÄBER
Kurz nach dem aufregenden Zwischenfall mit den Sechsfüßern befiel die
Kinder eine bleierne Müdigkeit. Jetzt hätten sie es nicht mehr gewagt, am
Ufer zu übernachten - die Tiere konnten ja wiederkommen! Bald entdeckte
Fred eine kleine Bucht mit steilen Ufern, die niemand hätte überwinden
können, und legte an.
„Ich hoffe, das ist unser letztes Nachtlager hier. Morgen werden wir gewiß
schon bei den Erzgräbern sein”, sagte Elli nach dem Essen, das aus rohem
Fisch bestand, und machte es sich auf dem Boden des Bootes bequem.
„Fürchtest du nicht, daß man uns schlecht aufnehmen könnte?” fragte Fred
besorgt.
„Aufrichtig gesagt, ja”, gestand Elli. „Ramina hat gesagt, daß die Erzgräber
keine Fremden mögen. Ich kann es auch nicht vergessen, wie grimmig das
Gesicht des Kriegers war, der seinen Pfeil auf mich abschoß … Jetzt hoffe
ich nur, daß sie uns nichts tun werden, wenn sie erfahren, daß wir noch
Kinder sind, die nur ein Zufall in ihr Land verschlagen hat …”
„Das wäre gut so”, beendete Fred das Gespräch. Am Morgen ging die Reise
weiter. Es wäre ja auch sinnlos gewesen, das Unvermeidliche hinauszögern
zu wollen. Es vergingen mehrere Stunden, das Licht war jetzt heller, das
Gewölbe breiter und höher, und vor unseren Reisenden tat sich das Land der
unterirdischen Erzgräber auf. Das war selbst für Elli ein ungewöhnlicher
Anblick, obwohl sie doch schon zum zweiten Male hier war. Fred stand wie
gebannt da: Die gewaltige Höhe der Höhle mit den goldgelben Wolken, die
schwermütige herbstliche Landschaft mit den bewaldeten Hügeln und
eingestreuten kleinen Dörfern, die Stadt, die in der Ferne schimmerte,
machten auf ihn einen gewaltigen Eindruck. Schon allein dieser Anblick
war die weite und gefährliche Reise wert. Es fragte sich nur, ob die Herren
dieses wunderbaren Landes unseren Freunden nichts Böses zufügen
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