Die siebte Gemeinde (German Edition)
herumzuspuken. Sprach sie eventuell mit Matteo? Würde er sich zu erkennen geben?
»Na gut, wenn es sein muss«, wurde die Stille von Robert Seydel durchbrochen. »Ich bin hier in meinem Laden. Kommen sie eben vorbei, wenn es unbedingt notwendig ist.«
Emma glaubte, eine gewisse Nervosität in seiner Stimme herauszuhören. Möglicherweise bildete sie sich das auch nur ein. »Prima, Herr Seydel, ich bin in spätestens einer halben Stunde bei Ihnen.«
Ohne zu zögern, druckte sich Emma ihre Rückfragen-Liste aus, packte einen Ordner unter den Arm, griff ihre Aktentasche und rannte zur Tür hinaus. Sie musste nicht einmal ein schlechtes Gewissen haben, dass sie ihre Arbeit unterbrach, um E-Mail-Reimen nachzujagen. Sie konnte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Am Ende des Flurs kam ihr mit Entsetzen der Vierzehnuhr-Termin in den Sinn. »Verdammt, die Büchers kommen ja heute.«
Frustriert machte sie kehrt und stürzte in das Büro von Walter Köpges. Mit dem Ordner vor seiner Nase hin und her fuchtelnd, redete sie auf ihn ein. »Walter, du bist doch für die Bücher-Bilanzbesprechung heute Mittag vorbereitet, oder?«
Walter runzelte die Stirn. »Ja klar, Schätzchen. Wir sind doch beide gut vorbereitet, oder etwa nicht?«
»Gut, kann nämlich sein, dass du die alleine machen musst. Ich muss überraschend zu den Seydels und weiß noch nicht, ob ich das bis vierzehn Uhr schaffe. Du machst das schon.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, verschwand sie genauso schnell aus Walters Büro, wie sie es betreten hatte. Sie glaubte, noch ein paar Flüche vernommen zu haben, schenkte dem jedoch keine Beachtung.
Emma beschloss, mit der S-Bahn zu den Seydels zu fahren. Bis in die Nähe zur Dürener Straße waren es nur wenige Stationen. Auf dem Weg aus der Kanzlei, noch im Foyer, lief sie Wolfgang Menner über den Weg. Er war im Begriff mit einem Mann, den Emma noch nie zuvor gesehen hatte, das Gebäude zu verlassen.
»Hey, Frau Kemmerling, Sie haben es aber eilig«, rief Menner ihr hinterher.
Der Mann an Menners Seite blickte neugierig an Emma auf und ab. Er war etwas kleiner als Emmas Chef und könnte in etwa so alt wie er gewesen sein. Seine dünnen blonden Haare hatte er im Nacken zu einem Minischwänzchen zusammengebunden. Er trug einen schäbigen schwarzen Ledermantel und abgetragene braune Slipper.
»Alexander Mücke«, stieß er hervor und streckte Emma lächelnd seine nach Rasierwasser stinkende Hand entgegen - ein außerordentlich penetrantes Aftershave, wie Emma feststellen musste.
»Angenehm, Emma Kemmerling«, entgegnete sie mit einem gezwungenen Lächeln. Geschäftig deutete sie Richtung Ausgang. »Ich musste noch schnell einen Termin dazwischen schieben, Herr Menner«, sagte sie kurz angebunden. »Ließ sich nicht vermeiden.«
»Wo soll es denn hingehen?«, fragte Menner.
»Zu Seydel & Seydel«, antwortete Emma und ließ, ohne sich umzublicken, die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
Draußen auf der Straße spürte man nichts mehr von dem gestrigen Sturm. Bei strahlend blauem Himmel und einer erfrischenden Kälte rannte Emma zur S-Bahn Station ›Neumarkt‹. Einige Wasserpfützen waren zu gefährlichen Eisbahnen gefroren und erschwerten das Laufen auf dem Kopfsteinpflaster. Dank der Erfahrung von viel zu kurzen Mittagspausen war Emma eine flinke Gassenläuferin und schlängelte sich geschickt an den Passanten vorbei. Sie hatte die Station bereits im Blick, da klingelte ihr Mobiltelefon.
»Nicht du auch noch!«, stöhnte sie und verdrehte die Augen.
An solchen Tagen verfluchte sie die Technologie. Genervt kramte sie das schwarze Plastikteil aus ihrer Tasche und erkannte auf dem Display die Nummer der Kanzlei. Entgegen ihrer ersten Absicht entschied sie, das Gespräch anzunehmen. Zu ihrer Überraschung meldete sich Wolfgang Menners Sekretärin.
»Hallo, Frau Kemmerling, hier ist Astrid Diepholz. Herr Menner hat mich gebeten, Sie wegen einer Sache anzurufen. Haben sie kurz Zeit für mich?«
»Eigentlich nicht, Frau Diepholz«, entgegnete Emma schnippisch. »Ich bin gerade auf dem Weg zu einem Termin. Um was geht es denn?«
»Um die Liebig-Prüfung morgen früh. Haben sie schon in die Vertragsakten geschaut?«
»Selbstverständlich nicht«, antwortete Emma verärgert. »Die habe ich doch erst vor zwei Stunden erhalten. Was gibt es denn noch daran?«
»Nun ja, Herr Menner meinte, dass sie besonders auf Paragraf vier, die Sonderentgelte der Geschäftsführer, achten müssten, weil da im Abschnitt
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