Die siebte Gemeinde (German Edition)
langsam die Treppe hinunter. Elias warf einen Sicherheitsblick durch den Verkaufsraum und begab sich ins Büro, um den Anruf zu tätigen. Emma hob ihre Unterlagen vom Boden auf.
»Kann ich mal Ihre Toilette benutzen?«, rief sie ihm hinterher und schaute angewidert auf ihre Finger. »Ich muss mir dringend die Hände waschen.«
»Polizei und Krankenwagen sind unterwegs«, antwortete Elias, während er sich am Vorhang vorbei vor die Theke schob. »Wir sollen nichts anrühren, haben die gesagt.« Er deutete Richtung Büro. »Die linke Tür - dort ist ein kleiner Waschraum.«
Zehn Minuten später fand sich Emma inmitten wuselnder Kriminalbeamten und Notärzten wieder, und wie von ihr befürchtet, konnten die Ärzte nur noch den Tod von Robert Seydel feststellen. Der Polizist, der sich als Frank Behr vorstellte, konfrontierte Emma immer wieder mit denselben Fragen. »Wann haben Sie den Laden betreten? Warum waren Sie hier? Haben Sie jemanden gesehen?«
Emma ertrug die Prozedur tapfer und beseitigte pflichtbewusst Frank Behrs Zweifel. Das Dokument, das sie mittlerweile in ihrer Aktentasche verstaut hatte, verschwieg sie vorsorglich, ebenso wie die merkwürdigen E-Mails. Die Angst vor Wolfgang Menners Reaktion war einfach viel zu groß.
Im Büro hinter dem Vorhang redete ein zweiter Beamter mit Elias. Emma hörte, wie auch ihm ständig die gleichen Fragen gestellt wurden. In diesem Augenblick stürzte ein dritter Polizist die Treppe hinunter. Mit einem Stift auf seinem Organizer tippend, kam er auf Emma und Frank Behr zu.
»Frank, das musst du dir unbedingt anschauen«, flüsterte er ihm ins Ohr.
Frank Behr warf seinem Kollegen einen verärgerten Blick zu und erhob sich ächzend von seinem Stuhl. »Ja gut, ich komme.« Behr schob seinen Kopf durch den Vorhang und schaute ins Büro. »Chris kommst du mal kurz. Oben gibt’s was Neues.«
Mit einem auffordernden Wink drehte dieser sich um und stieg in das Obergeschoss. Keine Minute später hielt es Elias nicht mehr auf seinem Stuhl und stürmte aus dem Büro heraus die Stufen hinauf. Emma schaute ihm verwundert hinterher und bemerkte, dass sie alleine im Erdgeschoss war. Von oben hörte sie reges Gemurmel. Sie fragte sich, ob die Polizei etwas Wichtiges gefunden hatte. Etwa ein weiteres Dokument? Sie klammerte sich an ihre Aktentasche, in dem ihr Fundstück lag und überlegte, ob sie es nicht doch Frank Behr übergeben sollte. Aber erst wollte sie wissen, was dort oben vonstattenging. Untätig herum sitzen konnte sie noch lange genug. Sie erhob sich von ihrem Stuhl und bestieg die schmale Treppe.
An dem Platz, wo sie zuvor Robert Seydel gefunden hatte, deutete lediglich eine Blutlache auf einen schrecklichen Unfall hin. Der Leichnam wurde bereits in einem Blechsarg abtransportiert. Frank Behr kniete am Rand der roten Pfütze. »Herr Seydel, können Sie mir sagen, was das zu bedeuten hat?«
Elias trat näher an den Polizisten heran, blickte auf den Boden, stockte für einen Moment und schüttelte seinen Kopf. »Nein, das sagt mir gar nichts.«
»Und Ihnen, Frau Kemmerling?«, fragte Frank Behr, als er Emma im Hintergrund stehen sah.
Emma näherte sich langsam dem Ort des Geschehens und schaute neugierig auf den Boden. In den Dielenboden waren unförmig drei Buchstaben hineingeritzt worden.
»CMS«, las Emma laut vor. »Nein, tut mir leid, Herr Behr, das sagt mir überhaupt nichts.«
Die schwarze Wollmütze in die Stirn gezogen und den Kragen in den Nacken geschlagen, lief er Richtung Innenstadt zurück. Er wagte sich nicht, einen Blick zurückzuwerfen. Das wäre zu auffällig gewesen. Um sich zu vergewissern, dass ihm niemand folgte, stierte er seitlich auf die Spiegelungen in den Fenstern der gegenüberliegenden Straßenseite. Hinter ihm befanden sich zwar Menschen, doch handelte es sich nicht um Emma Kemmerling oder Elias Seydel. Nur knapp war er vor einigen Sekunden den beiden entgangen.
Er hatte ja geahnt, dass seine Aktion bei den Seydels schwierig werden würde, schließlich musste er vor ihr im Laden sein, doch eine solche Wendung wie gerade, sollte es nicht geben. Ein Mord war nicht geplant, zumindest nicht heute.
Er hielt den Kerzenständer, den er als Waffe benutzt hatte, noch immer unter seinem Mantel versteckt. Eigentlich wollte er seinen Worten nur mehr Ausdruck verleihen, als er ihn von der Kommode griff und drohend vor Robert Seydel umhergefuchtelt hatte. Doch der alte Mann hatte sich vehement geweigert, das Versteck preiszugeben. Er drohte
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