Die siebte Gemeinde (German Edition)
»Wenn Ihr Euch beschweren wollt, müsst Ihr Euch mit Thomas Morosini auseinandersetzen. Er ist von Venedig zum neuen Patriarchen gewählt worden und wird in den nächsten Tagen eintreffen. Solange kann ich nichts für Euch tun. Gehabt Euch wohl.« Er wies mit seiner Hand verächtlich zur Tür. »Schon verrückt«, murmelte Balduin, während er sich wieder seinen Unterlagen widmete. »Plötzlich interessieren sich alle für dieses Tuch. Erst dieser Narr mit dem Prophetenbuch, dann Othon de la Roche und nun auch noch ein Priester.«
»Bitte was?« Kranto stoppte auf dem Weg zur Tür. Sein Gesicht erhellte sich, und er spielte nervös an seinem ungestutzten Bart. »Welches Prophetenbuch, Herr? Wer war bei Euch?«
Balduin schaute genervt von der Landkarte auf, die er vor sich auf dem Tisch ausgebreitet hatte. »Ein Kerl namens Arusch. Keine Ahnung, aus welchem Loch der plötzlich gekrochen kam. Er hat gesagt, er hat ein Buch irgendeines Propheten bei sich, von denen es noch mehrere geben soll.«
»Wo ist der Mann jetzt?«
»Oh, meine Männer haben ihn geschnappt. Sie pressen gerade sein Versteck aus ihm heraus.« Balduin grinste Kranto an. »Unterlagen der Kirche sind unsere Unterlagen, schon vergessen?«
Manuel Kranto stürmte aus dem Raum, ohne die Tür hinter sich zu schließen und ohne einen Abschiedsgruß. Vor dem Palast schlug er einem wartenden Mann auf die Schulter. »Wir haben verdammtes Glück, Henry«, sagte er freudig. »Das siebte Buch ist in der Stadt. Ruf die anderen von der Gemeinschaft zusammen. Nun könnte die Erlösung nah sein.« Er drehte sich zu ihm um. »Los, wir müssen schnell handeln. Ich muss sofort dieses siebte Buch haben.«
Es verging einige Zeit. Niemand konnte sagen wie viel. Da hörten Arusch und Pardus vor dem Gebäude Stimmen. Es klang, als würde jemand leise rufen, was durch die unwiederholbaren Flüche ihrer Mitgefangenen noch schwieriger zu verstehen war.
»Hast du das gehört?«, sagte Pardus und sprang auf die Beine. »Da hat doch jemand deinen Namen gerufen.« Unbeholfen hüpfte Pardus an der Wand hoch, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Es war jedoch zu weit oben.
»Hör auf zu springen!«, befahl Arusch. »Ich kann nichts hören.«
Pardus gehorchte, und sie lauschten gespannt. Von Weitem vernahmen sie etwas, was klang wie Aruschs Name, gefolgt von einem Schlagen auf Metall. Die Stimme kam näher. Erst als sie nah genug war, antworteten sie mit einem kurzem »Hier!« und lauschten anschließend weiter. Erwartungsvoll blickten sie gegen das Gitter. In diesem Moment verdunkelte ein Schatten die Öffnung. Erst beim zweiten Hinsehen erkannten sie, dass es das hagere Antlitz von Nazares war, der sie freudestrahlend anlächelte.
»Nazares!«, rief Pardus begeistert. »Was um Himmels willen machst du hier?«
»Ich bin euch gefolgt, habe vor dem Palast gewartet und gesehen, dass man euch in dieses Gebäude geführt hat. Ich habe mein Glück versucht, ob ich euch nicht in einer der Zellen finde.« Er deutete lächelnd nach rechts. »Da drüben sitzen ein paar üble Gesellen, kann ich euch sagen. Die haben tatsächlich versucht, mich von dort unten anzuspucken. Die haben gedacht, ich wollte mich über sie lustig machen, weil ich gegen die Stäbe geklopft habe.« Dann kramte er in einem Sack, den er bei sich trug, und warf ein Schwert, einen Hammer sowie einen Meißel durch die Stäbe auf den Zellenboden. »Ich habe Waffen und Werkzeug mitgebracht. Vielleicht könnt ihr das gebrauchen.«
»Du Idiot, was sollen wir mit einem Meißel anfangen?«, schimpfte Pardus. »Uns aus dieser Wand heraus klöppeln?«
»Halt deinen Mund, Pardus!«
Arusch grinste Nazares an. »Gut gemacht, Junge. Pass nur auf, dass dich dort oben niemand erwischt.«
»Keine Angst«, winkte dieser lässig ab. »Hier oben laufen fast keine Wachen rum. Die sind alle damit beschäftigt, den Palast zu bewachen.« Dann schaute er sich zur Sicherheit nochmals um und fuhr fort. »Hört zu, ich habe einen Plan. Ich warte hier, bis eure Tür irgendwann geöffnet wird. Wenn ihr die Wachen überwältigt habt …«, er grinste Arusch nickend an, »... wovon ich natürlich ausgehe, dann werde ich hier oben etwas Lärm veranstalten, damit die Wachen am Eingang abgezogen werden, um mir zu folgen. Dann habt ihr eine größere Chance, um nach draußen zu gelangen. Was haltet ihr davon?«
»Blödsinn!«, meckerte Pardus.
Arusch stieß ihm in die Seite und blickte ihn böse an. Dann sah er skeptisch zu Nazares.
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