Die siebte Gemeinde (German Edition)
mehr länger aus.«
»Herr Seydel, seien Sie doch vernünftig«, versuchte Emma, ihn zu stoppen. »Da spricht der Archäologe aus Ihnen. Es handelt sich um einen Tatort, den man nicht betreten darf. Vielleicht sollten wir erst die Polizei anrufen, bevor wir nach oben gehen?«
»Wozu? Damit die aus Dankbarkeit dieses Dokument beschlagnahmen? Nein, Frau Kemmerling, ich werde jetzt nach oben gehen. Ob es Ihnen passt oder nicht.« Er nickte ihr auffordernd zu und verschwand hinter dem schwarzen Wollvorhang. »Kommen Sie, es wird schon nichts passieren«, rief er bereits von der anderen Seite.
Verzweifelt stierte Emma auf den hin- und herschwingenden Vorhang. »Nicht zu fassen, was du heute schon alles getan hast«, murmelte sie und klopfte sich entschlossen auf die Schenkel. »Ach, was soll’s. Darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an.«
Sie sprang vom Stuhl auf und folgte Elias. Als sie durch den Vorhang trat, stand dieser noch vor der Wendeltreppe und blickte auf das Absperrband der Polizei, welches schlaff am Treppengeländer herabhing.
»Haben Sie das abgerissen?«, fragte Emma vorwurfsvoll.
»Nein, das war ich nicht. Das hing schon so da, als ich heraus kam.«
Intuitiv trat Emma einen Schritt zurück. »Oh nein, das darf nicht wahr sein. Heißt das, es war jemand hier, während wir fort waren?«
Elias zuckte mit den Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Hier unten sieht alles normal aus. Das wäre mir sofort aufgefallen.« Wütend riss er die restlichen Fetzen des Bandes vom Geländer und stürmte die Treppe nach oben. Emma folgte ihm.
Im oberen Stockwerk erwartete sie ein heilloses Durcheinander. Sämtliche Schränke schienen verschoben zu sein und standen mit offenen Türen da. Aus der Kommode, in der sich Emma und Elias noch weitere Dokumente erhofften, waren die Schubladen allesamt herausgezogen und achtlos auf den Boden geworfen worden. Die Bücher und Folianten aus den Regalen lagen verstreut daneben. Einige Blätter der wertvollen Exemplare hatte man herausgerissen und wahllos über die Dielen verteilt.
Mit aufgerissenen Mündern standen sie vor dem Trümmerhaufen und waren unfähig, etwas zu sagen. Schließlich nahm sich Emma ein Herz und durchbrach die scheußliche Stille. »Was«, stotterte sie, »was machen wir denn nun? Wir sollten die Polizei rufen?«
Elias antwortete nicht, sondern trat in den Raum. Er bückte sich schweigend zu den Büchern, hob einige auf, stapelte sie auf seinem Arm und legte sie stoisch in das Regal zurück.
»Ich denke nicht, dass wir hier noch ein Dokument finden werden«, antwortete er, während er seelenruhig weitere Bücher auf seinem Arm anordnete. »Und ich denke auch nicht, dass wir die Polizei rufen sollten.« Er drehte sich ruckartig zu Emma um, sodass das oberste Buch von seinem Stapel auf den Boden fiel. »Nein, ich denke, wir sollten jetzt zu Professor Heinrich fahren. Die Scheiße hier sagt mir doch, dass wir etwas Wichtiges gefunden haben.« Er zuckte mit den Schultern. »Die Polizei weiß doch gar nicht, dass wir überhaupt hier waren. Wenn ich nachher zurückkomme, kann ich sie immer noch anrufen. Schließlich hat hier niemand eine Tatzeit drauf geschrieben, oder so. Außerdem habe ich keine Lust auf Dutzende von dämlichen Fragen.« Er legte seine eingesammelten Werke auf die Kommode und rannte an Emma vorbei die Treppe hinunter. An der untersten Stufe angekommen, blickte er fragend nach oben. »Kommen Sie jetzt, oder was? Ich rufe uns ein Taxi, bei dem Wetter möchte ich nicht laufen.«
Der Taxifahrer, der aus Emmas Sicht viel zu jung war, um einen Führerschein zu besitzen, jagte mit quietschenden Reifen durch die Straßen. Elias beugte sich zu ihm nach vorne. »Ich hatte zwar gesagt ›schnellstens‹, doch sollten Sie uns nicht umbringen.«
»Schon gut, schon gut«, beschwichtigte ihn der Jüngling grinsend. »Wir sind ohnehin sofort da. Zurzeit muss man sowieso etwas rabiater fahren in Köln. Seitdem die die Innenstadt wegen der U-Bahn-Baustelle teilweise gesperrt haben, spielen alle verrückt. Anscheinend haben die Angst, die halbe Stadt stürzt zusammen.« Er drehte sich zu den beiden um. »Wussten Sie, dass es kleine Erdbeben rund um Köln gegeben hat?«
Elias schüttelte desinteressiert mit dem Kopf. »Lassen Sie uns bitte am Philosophikum raus«, befahl er und lehnte sich wieder zurück.
Elias hielt Emma die Tür zur Universität auf und verbeugte sich. »Das Büro von Professor Heinrich befindet sich im zweiten Stockwerk, Mylady.«
»Was
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